st. olavsleden 2022 (tvärtom) 24/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 24: borgsjö – fränsta (13.9., 20 km)

höst kommer och jag måste gå

auf den regen warten, ist das dümmste, was man machen kann. man weiß, dass er kommt. man bereitet sich drauf vor. aber man wartet nicht, weil sonst geht einem die trockenheit verloren.

ich kriege meine tage + warte auf die schmerzen wie auf den regen. im gästebuch hinterlasse ich 1 schönen eintrag: der herbst kommt + ich muss gehendie leeren flaschen saft+bier stelle ich vor die tür, die schlüssel in 50 sek dricksen eingewickelt werfe ich in den briefkasten. ich gehe nicht zurück in die alte stuga, um die tasse zurückzubringen, die ich gestern mit hinübernahm. es sind überall dieselben. ob ich da drüben was vergessen habe, interessiert mich nicht. ich muss weiter.

ich gehe los, bin bereit für den regen, warte, bin verwundert. ich habe die regenhose falsch rum an. vorne ist hinten. es geht sich auch so. aber bei der kapelle 3 km weiter beim unterstand, ziehe ich mich um, drücke 1 stempel ins buch, das jetzt wassersicher verstaut. da sind die 1. tropfen. es bricht mir das herz. wenn man wartet, aber nichts kommt, und wider besseren wissens anfängt zu hoffen aufs gegenteil. + schließlich: die enttäuschung. 

1 weitwanderung ohne regen ist auch nichts

ich hinterlasse der familie, der ich gestern beinahe vorgejammert hätte, dass ich in 1 absteige gelandet bin, was sich dank meines einsetzens für mich selber in wohlgefallen aufgelöst + umgekehrt hat, 1 nachricht darüber, was ich alles lerne auf dem weg + wie ich das gelernte der reha anwenden kann. es antwortet erst mal niemand: das ist pilgertalk, ich muss erst mal wieder heimkommen. die erinnerung daran, dass gute ratschläge von denen, die weggegangen sind + mit abstand alles anders überblicken können, nicht gern gelitten sind bei denen, die daheim tief drin stecken. „ihr könntet auch anders“ – nein. können wir nicht. 

ich weiche wieder aus. diesmal 1 frau mit bellendem hund, den sie zu beruhigen sucht. ich gehe stattdessen den abzweig zum strand, obwohl ich die strecke nicht unnötig verlängern möchte, wenn sich wie jetzt gerade der regen an+abkündigt. aber vielleicht gibts 1 schönes bild. auf dem rückweg treffe ich 1 verspielten hund mit 1 alten mann. beide tun keinen mucks, als ich langsam auf sie zukomme, es gibt was im schuppen zu erledigen + am traktor zu basteln. dann scheint er sichs doch zu überlegen + schaut sich um. wir grüßen uns. als ich fast vorbei bin, sagt er irgendwas mit trondheim + ich sage, dass ich daher komme. er ist erstaunt + ich fange an zu plappern, dass ich noch 4 tage habe + den neuen spruch „der herbst kommt + ich muss gehen“ + er schaut mich an. ja. hm. dann gehe ich weiter + denke, die schwed*innen mögens nicht, wenn man lamentiert. 

hier im norden ist wahrscheinlich viel „schlechtes“ wetter, also viel regen, viel kälte, viel wind, daher viel vindskydd, viel dunkelheit. da komm ich sommerfrischler daher am ende der 2-monatigen urlaubssaison + jammere den ansässisgen die ohren voll. 

es wird 1 der schönsten strecken mit den merkwürdigsten plätzen. am fluss ljungan (ljunga = blitzen, donnern, flammen) treten die großen schwarzen steine blitzsauber aus dem bett heraus. sie wundern sich ein wenig, wo das wasser hin ist, sie sind durstig. sie werden schon langsam grau. wo ist der reißende strom? es wird zeit, dass der regen kommt + den fluss nachfüllt. aber ich habe glück + kann im trockenen bett pausieren+tanzen. 

ich bin am fluss im fluss + mag nicht gehen. aber ich bin doch im fluss. nachdenken über die schwierigkeit, im moment sein zu können. + auch zu erkennen, dass es dieser ist, den du später vermissen wirst. das erinnern an die 3 wasserfälle + wie schwer es mir fiel, weil ich ins café wollte. ich bin schon viel ausgeglichener. 

dann aber kommt der regen richtig + in der nächsten vindskydd trinke ich lauwarm aufgeheizten tee. die erinnerung an die entscheidung, nicht aus 1 not heraus zu kündigen, sondern sich zeit zu nehmen, herauszufinden, was man will. die planung der auszeit, die planung des weges, der kauf des equipments, der 1. gaskocher, den wir uns bestellt, wie gleichzeitig mit dem paket die nachricht kam, dass die familie am wochenende komme, wo ich doch alles anders geplant, wobei sich rausstellt, dass die familie was verplant, aber jetzt umgebucht + unterwegs, wie ich panisch, weil ich am vortag noch den absturztag mit durchhungern bis zur essattacke, übergeben, essattacke, übergeben in dauerschleife bis zur erschöpfung, bis der tag vorbei, wie ich kaputt+verstört das paket aufreiße, kurz vor der abfahrt, die familie zu treffen, den gaskocher aufschraube, das gas austritt, sich nicht abstellen lässt, wie ich auf den balkon gehe, im wissen um mein brandtrauma, das sich nicht wiederholen darf, sonst bin ich verloren, das ertrüge ich nicht, wie ich den kocher anzünde + der kocher in flammen steht, wie ich davorstehe, ungläubig, weil ich ihn angezündet, trotz des unguten gefühls: da tritt noch gas aus, das kann doch nicht sein?! wie ich anfange, zu pusten – 1 kind am geburstag, so viel glück: das feuer geht aus. wie ich panisch den kocher von der kartusche schraube, überlege, es noch 1x zu probieren, die beschreibung nochmal lese: nein, da soll kein gas austreten + wenn: auf keinen fall anzünden! du depp! wie ich alles verwerfe, die sachen einpacke, das paket verschnüre, retourniere, mit meinem gepäck fürs wochenende mit der familie im spandauer spa an der paketstation vorbeifahre, das paket einlege, weiterfahre, mir einfällt, dass das vielleicht keine gute idee gewesen ist: weil ist die kartusche jetzt zu? darf ich das überhaupt versenden, wenns schon offen gewesen? neben der packstation ist die tankstelle. die tankstelle! wie ich versuche, herauszufinden, ob man gebrauchte gaskartuschen versenden kann, welche gefahr für d. dhl-bot*in besteht, wie ich anfange, mir all das schlimme vorzustellen, dass passieren könnte: die station fliegt in die luft, die tankstelle mit dazu, d. dhl-bot*in fliegt in die luft, das paket wird abgefangen in der post, das spezialeinsatzkommando holt mich aus spandau ab, ich komme ins gefängnis wegen körperverletzung, mord oder versuchtem totschlag mit terrorverdacht, wie ich stündlich bis minütlich die sendung des pakets verfolge, der familie versuche, die geschichte lustig als anekdote zu verkaufen, wie das paket auf seinem weg steckenbleibt an irgendeiner station am sonntag, wo nichts mehr weitergeht, wo mein leben stillsteht, bis ich am montag zurück daheim, das mit dem versand der kartusche zu retten das wichtigste gewesen war, die familie verabschiedet auf lauftour gehe, um ins seelische gleichgewicht zurückzukehren, aber immer wieder aufgrund mentalem schock in den stillstand gerate, mit dem online-shop 1 mailverkehr starte: weil das mit dem gaskocher hat nicht geklappt + ob er 1 idee, warum + ich würdes zurückschicken – und sie würden mir schon antworten, wenn/ob ich wohl den verstand verloren hätte: die offene gaskartusche, + überhaupt: ich bin unfähig, komplett unfähig, so 1 weitwanderung/pilgerung allein zu unternehmen, aber die antwort kommt, ich kann gar nicht hineinschauen, es heißt: das sollte eigentlich nicht sein + tipps zum auf+zuschrauben. zum versand kein wort. wie ich den montag irgendwie durchbringe unter abschaltung aller sinne, wie ich nachrichten checke längs der strecke, wie ich am dienstag zur arbeit gehe, als wäre nichts geschehen, wie das paket plötzlich am bestimmungsort eingegangen ist – jetzt dürfte doch nichts mehr geschehen?! wie ich nicht mehr erinnere, wie viel zeit verging bis zu der mail, die retoure sei eingegangen, ich bekäme mein geld zurückerstattet. wie ich umfiel, vor erleichterung. wie ich liegenblieb. für 1 zeit. wie ich aufstand. das wars. wie ich später 2-3x die geschichte erzählte, zugespitzt, ohne die essstörung zu erwähnen: „und während ich mit der familie im spa saß, fuhr im hintergrund die kaputte gaskartusche durch deutschland, jederzeit nahedran zu explodieren.“ wie ich schwor beschloss, mein leben zu ändern, geschworen+gebrochen/erbrochen habe ich schon zu viel. wie ich mich dran hielt. wie ich mich dran halte. festhalte. 1 leben mit essstörung hat keine zukunft. es hat nur vergangenheitsscham. ich aber will noch 1x jemand anders werden. nicht gesund, nicht geheilt, nicht topfit, nicht genial, nicht perfekt, nicht X. einfach nur anders. ein bisschen gesünder. frei. wie ich den neuen kocher kaufte. wie er funktionierte. ohne probleme. als wäre nichts geschehen.

zfrai oda zschpait

ich ziehe die pause in die länge, packe die matte aus, esse was, aber der regen hört ich nicht auf. also packe ich wieder ein + gehe weiter. ich gehe einfach immer weiter. weil das ist das leben. sonst nichts. es regnet aber nicht schlimm. im utedo sind die mücken, weil der deckel fehlt: da gehen wir nicht rein. scheißmücken im gesicht. bäh. neben dem wunderschönen wasserfall. ja wahnsinn. 

ich drehe 1 video vom fluss + wieder die erinnerung an 1 solches stück: diesmal ederwald + sprachnachricht an die schwester für den fall der fälle, damit sie weiß, wo alles ist. wir folgen dem flusslauf + mitten im paradies wohnt jemand, hat sich 1 haus gebaut mit den obligatorischen 3-4 stugas (gästehaus, schuppen, garage, …) mit kinderspielplatz: alles da. mitten in der atemberaubenden natur wohnen die leute. 

wär auch schön blöd: all das wundervolle land + niemand geht hin. besitz belastet. all die verfallenen villen. das leere brandenburger land. vielleicht dahin? der weg ist so wundervoll am ljungan entlang. immer wieder kleine trails + abschnitte mit geländern gesichert. je weiter wir hinunter kommen, desto voller wird der strom, der fluss nimmt fahrt auf. kleine bretterstege führen hinaus, aber wir trauen uns nicht bis zum ende auf die geborstenen bohlen. heute lieber mehr sicherheit+ankommen als abenteuer+risiko. an der nächsten schutzhütte wieder rast mit tee – wie viel tassen tee ergeben 100 g gas? (eller tvärtom.) wir bringen den rest mit heim, jetzt schlummern 2 kartuschen in unserem unescoweltkulturerbehaus. wir gehen noch auf die vikbron hinaus, dann aber wird der regen stärker.

vikbron
die "buchtbrücke" ist schwedens längst holzbrücke. aus protest gegen zölle bauten 1888 die bewohner*innen der finsta-bucht 1/2 km flussabwärts 1 neue brücke. die holzkonstruktion spannt sich 133 m über den ljungan. in 2000 wurde die brücke durch 1 überschwemmung beschädigt, aber bis 2005 wiederhergestellt. auf der südlichen seite gibt es 1 kleinen weg bis viknäset, wo sich 1 der größten gräberfelder aus der eisenzeit befindet. auf der nördlichen seite heißt der weg kärleksstigen, liebesweg.  

ich werde müde + will ankommen + im supermarkt einkaufen. all die schönheit hilft nichts, wenn man ausgekühlt, nass, hungrig + müde ist. die bedürfnispyramide. man versucht noch 1 bild zu machen für später. heute quasi. die augen aufbehalten, auch wenn der wind den regen ins gesicht peitscht. naja: pustet. es könnte schlimmer sein + es wird schlimmer kommen. neulich noch die füße hochgelegt am wasserfall: keine vorstellung davon, wies gewesen wäre, hättes geregnet. wie viel kraft 1 wander*in braucht für 1 pilgerung im dauerregen. man denkt immer: was hab ich für 1 glück! + sagt sichs jedes mal. aber eigentlich hat man keine vorstellung + will sie ja auch gar nicht haben. weil man kennt wanderungen im regen. und wer will sich das vorstellen, wenn die sonne scheint? man weiß es erst, wenns so ist. man blickt im regen auf die trockenheit zurück + denkt sich: wie blöd war ich, da durchzulaufen? warum hab ichs nicht genossen? als es noch nicht gegossen. und wenn die sonne scheint, läuft man einfach weiter, weil man das gute wetter ausnutzen will. wandern ist so 1 dreck. aber was würd ich sonst machen? das schild zeigt knapp 500 km nach trondheim. wie lange bin ich aber schon unterwegs mit all meinen umwegen?

irgendwann gewöhnt man sich an den regen + geht von shelter zu shelter. hier zum glück gibts viele, wie anders doch andere etappen waren: mit nur 1 bank auf langer strecke, ohne unterstand. man kocht sich tee + wärmt sich an der heißen platte des topfes. wir müssen zuhause den deckel nachkaufen wegen energiesparen. 

im dorf gibts 1 sportausstatter + bevor ich bemerke, dass es 1 herrenausstatter für jäger ist, tu ich so, als ob ich hier richtig. der besitzer ist grad auf dem klo, als ich reingehe, ich verstehe nicht genau, was er ruft, aber ich kanns mir denken. ich sage gleich, dass ich socken brauche. bis er kommt – ich höre noch klospülung + waschbeckenwasser, bevor er sich die hose zuknöpfend aus dem hinterraum tritt, hab ich schon 1 paar gefunden, das einzige, das gehen könnte. ich zahle in bar, aber weil er nicht genug wechselgeld hat, kaufe ich einfach 1 zweites paar. das andere reißt ja auch schon. mit den socken kann ich aber nicht wandern, niemals in die wanderschuhe mit ungewaschenen socken, keinen marathon mit neuen strümpfen! weil man so rutscht in den socken: das macht die blasen. außerdem sind sie nicht wirklich gut. aber dick + bequem, das richtige für abends nach der nassen wanderung. er wundert sich, dass ich so gut schwedisch spreche + fragt was, was ich nicht verstehe. lustig. hinterher suche ich es mir aus dem übersetzungsprogramm, er meinte: wie ich das geschafft hätte? hur har du det skapat? oder so. anscheinend kann ich nichts, nur plappern. naja, es wird schon besser. ich bin ja schon 2 wochen da. aber in 2 wochen hätte ich noch nicht so viel gelernt. ach so ja nein, das mache ich seit 2 jahren. jaha!

britt-inger, bei der ich unterkomme, ist überzeugt, ich könne gut schwedisch, dann muss sie 1 wort 3x wiederholen, das ich nicht verstehe + auch nicht im wörterbuch finde später. sie sagt brött – aber vielleicht verstehe ichs nicht: blött heißt nass + trött heißt müde, aber was ist brött? sie zeigt auf den wäscheständer. hm. då kan jag torkar mina kläder.

sonst glaube ich, dass ich alles, was sie mir zeigt+sagt, begreife. es ist 1 wundervolle wohnung, super eingerichtet, sie weist etwas unsicher auf das kleine zimmer mit dem einzelbett, wo sie mir das bett bezogen hat, zeigt mir dann das riesenschlafzimmer + fragt, ob ich lieber hier schlafen wolle? nein! auf keinen fall! ich sehe mich schon morgens durch die wohnung putzen, 2 küchenecken, badezimmer, wohnzimmer, esszimmer, schlafzimmer, flur. sie hat mir ein paar frische erdbeeren aus dem garten auf den tisch gestellt + ich erzähle ihr die geschichte mit den socken, die ich auf dem ofen verbrannt habe, weil sie die neuen grad gekauften in meiner hand sieht + nachfragt. beim zahlen werfe ich die ganzen scheine über den tisch, um die richtige summe rauszufiltern + frage ironisch, wie das aussähe (ich mit dem geld hier überm tisch verstreut), sie versteht mich richtig + zeigt auf die 200 sek lappenjag måste håller mina pengarna tillsammans, sagt man bei uns. keine ahnung die grammatik. 

im supermarkt – wos übrigens 10er-packs socken im sonderangebot gibt, was für 1 weitwander*in die hölle ist: was soll ich mit den anderen 8-9 paar? – stelle ich mich an der falschen kasse an, wo ich nicht mit meinem ganzen bargeld zahlen kann. neuerdings hüpfen mir spanische vokabeln in meine schwedischen brocken: statt ursäkta?, was ich oft sagen muss, weil ich oft nicht verstehe, was gesagt wird: entschuldigung? kommt plötzlich dauernd: como – wie? ich warte, bis die kassiererin sich mit der frau vor mir über 1 mann ausgesprochen hat, der gerade in den markt gekommen ist. ich verstehe kein wort, aber sehe ihre grimassen+gesten + kann mir denken, dass er nicht erwünscht ist. 

ich esse lecker fertiggerichte, weil ich zu müde zum kochen + auch eigentlich gar nicht kochen kann + auch den grill nicht brauche, auf den britt-inger mich schon am telefon hinwies: ich könnte am balkon auch grillen. oj nej! kein grillen, kein fernsehen. wlan wär gut, aber gibts keins. ich machs mir gemütlich, wie britt-inger mir riet + zünde die teelichter an, sogar die lampen im wohnzimmer soll ich anschalten. ha det mysigt! das mache ich. jag har det mysigt!

alles ist 1 frage der balance bilanzierung

https://www.kaschpar.de/2023/01/09/alles-ist-1-frage-der-balance-bilanzierung/