st. olavsleden 2022 (tvärtom) 2/27
st. olavsleden
trondheim – sundsvall, 650 km
tag 2: ranheim – folden gård (22.8., 22,7 km)
let’s go
liste abarbeiten:
- geld abheben. wo sind denn hier die automaten? minibanken waren im internet schon schwer zu finden. alle beteuern, sie hätten kein kleingeld. doch wechseln? am ende stapfe ich voran die taschen voller geld der dansk bank (aus versehen fast nur 50 € abgehoben: nicht 500, tausende brauche ich, tausende kronen).
- kontaktlinservæska: gibts im supermarkt nicht
- frühstücken. und so viel kaufen, dass man was mitnehmen kann aufn weg. warum hab ich die zahnbürste abgeschnitten? warum hab ich das kontaktlinsenmittel umgefüllt, so dass es jetzt verschmutzt ist? warum hab ich den schwerelosen rucksack, der mich drückt, gekauft, bei dem ich angst habe, etwas reißt? warum sind die teuren schuhe eingerissen? wenn ich dem namen nicht vertraute … aber wehe, die marke enttäuscht! (es sind gar keine speedcross, sondern supercross, das werde ich aber erst in 1-2 wochen merken – es ist eh schon zu spät (aber für matsch gemacht!))
- mit dem zug nach ranheim (weil das stück haben wir ja schon) erst um 9:17 uhr, weil wir ja noch punkt 2 haben und
- im supermarkt einkaufen. alles kostet das doppelte wie daheim. frische himbeeren könnten wir uns nicht leisten. was würden wir nur tun? was verdient man hier? beim café suchen sie leute.
halbe stunde noch zeit: nochmal zurück + packen. noch 1,5 l wasser in den rücken plus 1/2 je links+rechts. jetzt ists ausgeglichen.
beim aufsetzen rutscht der stuhl davon. die erinnerung an birgit mit der krake voller dosen im supermarkt – wie sie umfällt nach dem einpacken. schwerpunkt verpasst. 12-13 kg ohne wasser + all das essen, das ich nicht weiß, wann ich das essen soll, weil ich überall frühstück gebucht habe. die tüte mit dem kochzeug nicht mal aufgemacht. es wird der tag/die stunde kommen, wo ich froh sein werde, dass.
mein diLEmma: 30 km strecken, die ich jetzt für in 5 tagen plane. einfach gehbar mit wenig gepäck, aber energieintensiv, dass ich viel einpacken muss. aber nicht so schlimm, wie auf dem rennsteig, wie ich von jedem einkauf/café/restaurant vorher auf der karte 1 bild gemacht habe, in der angst zu verhungern. die essstörung tief drinnen unten in den knochen. der körper speichert: denn nur wenn er ohne unterlass versorgt wird, bleibt genug für ihn übrig. er speichert für durststrecken. essstörungen sind teuer hier. die erinnerung daran, wie ich, kind, nachts, wenn die wirtschaft geschlossen, an die gefriertruhe geschlichen, die viennetta familieneispackung entnommen, im bett halb/dreiviertel/ganz aufgeschleckt habe + den rest, falls es 1 gab, zurück in die truhe hinten/unten packte, in der. hoffnung, es würde niemand entdecken. niemand hat es jemals bemerkt (oder mich darauf angesprochen). nur als ich dick wurde, fiel es auf.
am bahnhof noch was essen damits leichter wird
unterwegs sein fühlt sich an wie immer. wie in brandenburg. weil ich dauernd unterwegs bin, wo ich mich nicht auskenne.
die optikerin spricht langsam mit mir schwedisch. läuft schon gut. ich habe das produkt, das ich wollte. was war nur påse? tüte! nej, tack, no pose.
die zusage aus munkeby kommt nach knapp 1 woche. perfekt! jetzt airbnb absagen? auf dem weg aus der stadt steht 1 fahrradfahrer, der mit 1 kettenauffädler die kette des fahrrads richtet. wer in aller welt hat in der regel 1 kettenauffädler dabei?!
die kinder, die mir entgegenkommen, lassen mich in die pfütze im graben springen. nicht, weil sie drängeln oder schubsen oder was meine bullyphantasie sonst mit mir anstellt, nein, weil ich ihnen zuvor komme. beim aufschreiben stolpere ich fast.
wandern ist keine leistung
gleich zu beginn kommt das kreuz, wo alle niederknien, weil sie es bis hierher geschafft haben. warum geh ich überhaupt andersrum? aus angst, es sonst nicht zu schaffen im herbst. aus angst vor dem schnee auf dem fjäll. aus angst vor der last des rucksacks. dem reißen der schuhe. und überhaupt. weil ich gern alles tvärtom mache.
die alte frau oben am kreuz fragt mich, ob ich pilgrim sei + blickt mich erwartungs+respektvoll an. ich sage: nein, nicht ganz. da erlischt das feuer in ihren augen + sie geht an mir vorbei. die ehrfurcht in der stimme beim anblick des vermeintlichen pilgers kurz vorm ziel. die enttäuschung. ich gehe ja auf dem pilger*innenweg, daher meine ich, ich wäre ein halvpilgrim, aber das beeindruckt sie nicht. kann jetzt ja auch nicht noch sagen, dass ich erst in trondheim losgegangen bin + das es mein 2. tag ist. erst. aber von nun an werde ich mich dauernd fragen, ob ich nicht doch 1 pilger*in bin + falls ja, was mich dazu macht.
die fortellerbenker oben am kreuz: die erzähler*innenbank. forteller fortune. der himmel vor+nach der rastmeditation: das ist der unterschied. früher habe ich keine pausen gemacht. nur schnell durch + heim. jetzt bin ich jeden augenblick da. nicht nur zeit für das foto, zeit für die ruhe. nicht durchhetzen. + doch werde ich später zu jemandem sagen: “when the weather is fine, you come good through the day”. what is this for a english?
die norweger*innen + ihre hütten in der wildnis
die zugebauten ausblicke entlang der hügel mit ausblick auf den fjord. + da noch 1 haus + da noch + da. selbst mitten im wald macht der weg 1 schleife um 1 privatgrundstück herum. da kann man doch noch was hinstellen! wie kommen die leute hier her? wie versorgen sie sich?
jede*r hat 1 hütte im wald.
die spaziergängerin, vor der ich gerne den abzweig genommen hätte, was aber auf den falschen weg führt, treffe ich auf ihrem rundweg 2x. so ists. man kann seinem schicksal nicht ausweichen.
zur belohnung erhalte ich vom schauer, für den ich die jacke auszog + dabei 1 gamasche verlor, 1 regenbogen. wann kommt das sportgeschäft? noch mehr kaufen.
auf 1 fast zugewachsenen weg schieße ich ohne ende bilder für die “naturlehrpfad”-serie + 1 von meinen schuhen: oh je, schau nur, wie das aussieht. ohne zu wissen, was noch kommt. 1 stück trail verpasse ich + gehe auf dem radweg, der den pilger*innen empfohlen wird, weil es sonst zu muddig wird. es tut mir fast weh, dass ich ausweiche. ich wills nicht leichter haben. ich will belohnt/entlohnt werden für die anstrengung. mit müdigkeit + gelassenheit. erschöpfung = entspannung.
myr och mosse
der weg verlässt die straßen + ich steige auf+ab+auf+ab + wieder 2x auf im wald. viel moor. was heißt das auf schwedisch? müsste ich wissen nach so viel nils holgersson. ob wir das je zu ende lesen? nass+müde. blött+trött. ich suche nach wörtern. inte lätt. schwierig
tuff svär kränglig kinkig strulig vansklig brydsam besvärlig invecklad meckig bökig krabbig prävande svart.
ich komme sehr langsam voran. die sonne brennt + es gibt keine bank. der rucksack sitzt schief aufm rücken. bin ich so krumm oder hab ich falsch gepackt oder ist es 1 glump? beim probewandern wars auch so. nur vergessen. die schuhe versinken im matsch. wieso haben sie hier bohlen ausgelegt, wenn sie im moor versinken? 1x trete ich durch 1 bohle hindurch, die es nicht gibt, direkt über knöcheltief ins moor. jetzt hätte ich die gamaschen gebraucht. wasserdicht heißt auch nur von unten + seitlich. sonst halten sie (sich) gut, die schuhe, aber sie sind halt zu groß. gut für den winter mit dicken socken. aber da gäbs auch richtige winterschuhe. man kann ja nicht für alles 1 ausrüstungsgegenstand haben! (4 matten …)
dauernd wird alles vom moor festgehalten: die schuhe, die stöcke, ich. warte sehnsüchtig auf den schönen rastplatz, der uns versprochen ward, halte nicht an, esse nichts nichts. trage zu viel wasser aufm rücken, denke ich beim überqueren sprudelnder bäche mit trinkwasserqualität.
ausrüstungscheck: gut, dass wir den filter daheim gelassen haben. gut, dass ich beide stöcke mitgenommen habe.
im reisführer stand: 2x über zäune steigen. gut, dass ich das gelesen habe, ich hätte sonst dem weg nicht vertraut. (wirklich? da rüber?)
1 frau kommt mir entgegen, die gar nichts mehr sagen kann, sondern nur das gesicht verzerrt zu 1 grinsenden grimasse. anstrengung+glück stehen da drin, aber kein wort kommt heraus. später werde ich das verstehen.
als ich nyvattnet erreiche, halte ich 1 haus für den rastplatz + bin so enttäuscht bei der richtigstellung, dass ich mich dauernd zurückdrehe am weg + falle. hinfalle. ich rutsche auf 1 nassen schiefen stein einfach weg + lande auf der linken seite. nichts passiert! sofort wieder hoch. wieder die linke seite. der kompass! oh – aber an die earpads denke ich nicht. musste ich ja auch noch mitschleppen. zum glück nicht die rechte mit dem neuen handy, das wir extra gekauft als kompromiss zwischen guter kamera + keinem gepäck. (dann brauchten wir noch 1 hülle + 1 schnur + 1 wasserdichten behälter + …)
erinnerung an den freund, wie er fiel auf dem kungsleden. genauso. nassser stein, rutsch, kipp, krach. die müdigkeit ists. ich erinnere mich: so wars. aber ich erinner nicht die anstrengung wie mütter nicht die geburtswehen erinnern, wo wir gar nicht mitreden können.
wie soll ich so durch matsch+moor über 30 km schaffen von munkeby nach vuku? aber es gibt ja alternativen. spätestens jetzt habe ich bock auf das scandic im stiklestad, das gerade noch 160 € gekostet hat.
rast am wasser mit kocher + allem
now we feel us like we have planed to. danach packe ich den kocher 5 tage nicht mehr aus + oben bei der rast im blokhuset werde ich feststellen, dass ich den deckel vergessen habe hier. (wahrscheinlich.)
die socken sind pitschepatsche aber nur nicht wechseln, weil wir haben nur 1 paar für heute, 1 für abends, 1 für morgen. das tshirt wechseln + nur lüften. nur den 1 socken waschen später. (warum?) die beiden wander*innen später mit dem hikerstink – bin ich es oder du?
auf dem letzten stück kommt mir 1 mann mit hund entgegen, der aussieht, als wäre er auf abendgassi. kann das sein, dass neben dieser tiefen wildnis hier gleich die zivilisation ist? ich bin gar nicht außerhalb im nirgendwo. es ist hier so. wildnis überall + dazwischen freigeschlagene bebaute fläche.
an der hütte erikbu 5 min. ruhen. es wird schon spät. wundert der farmer sich, wo ich bleibe? auch er: antwort auf mail nach 5 tagen. zum glück. es ist die einzige unterkunft weit+breit. sonst müsste ich draußen in der hütte schlafen, die ich später sehe, kurz vor dem grundstück, vorne offen wie 1 bushaltestelle. ja habt ihr denn hier keinen richtigen vindskydd?
der farmer erinnert sich nicht an meine mail
aber er hat noch 1 platz frei + steckt mich ins kleinste zimmer. er ist so groß, dass er in dem kleinen haus wie schief hineingepuzzelt aussieht, schräg gestaucht. überall muss er sich bücken + krümmen. er sagt, ich könne jederzeit rüberkommen zu ihm zum reden oder oder vad som helst. er ist alt + allein + die katze will gestreichelt werden.
nach dem duschen sitze ich draußen + tu ihr den gefallen. er erzählt, dass sie seinen kindern gehört, die nicht mehr hier leben. wir reden norwegisch, schwedisch + schließlich englisch, weil ich nichts verstehe. als er über seine mutter spricht, stottert er leicht. er war lehrer+farmer zugleich. ich rede von daheim + dem hard life on the country side. er kennt es: 2 jobs zum leben verdienen. jetzt seit 12 jahren die pilger*innen. you were just in the right spot.
ich war die 1. heute
nach mir kommen noch 2 wander*innen. wir unterhalten uns schnell + checken die fakten, wie wir unterwegs sind: richtung, weg, gepäck, strecke. es ist gar kein paar, sie haben sich auf dem weg getroffen + sind zusammen weiter. gerade haben sie angerufen + gefragt, ob noch 1 zimmer frei ist. wirklich? gerade eben? vor 1 stunde. sie haben 1 zelt dabei. ach so.
der farmer heißt bernt + spricht meinen namen gut aus. in bonusfamiljen, stelle ich später fest, gibt es 1 frau, die heißt katja. aber sie ist nicht nett. ich erinnere mich, dass ich es früher schon gesehen hatte. 1 der beiden wanderer ist deutsch. wer? anke kommt aus holland + geht jeden pilgerweg, den camino war sie schon, morgen will sie den rest machen, dann hat sie noch ein paar tage urlaub. maxi kommt aus dem sauerland + ist seit östersund unterwegs. nur? ich bin wie die frau, die mich fragte, ob ich pilgrim sei + dann enttäuscht aussah, als ich verneinte. beide sind sehr jung. sie sind morgen fertig. ich habe den 2. tag geschafft.
es liegt kein schnee auf dem fjäll
bernt ist sicher, ich komme noch rüber. ist doch august. die beiden wander*innen haben oben geschlafen in 1 hütte bei 4 grad. die hostels sind gut, überall essen, die leute amazing. ich freue mich, wenn ich niemanden treffe, aber das hier geht alles gut. ich kann småprat. wäre es auf dem kungsleden auch so gewesen? immer nur englisch, weil man doch nur tourist*innen trifft? jetzt bin ich ja in norwegen, mal sehen, wie es noch wird.
im wohnzimmer steht in der bibliothek heinrich bölls katharina blum auf norwegisch mit ihrer tabte ære. ich verabschiede mich + lege mich hin. ich bin elendig müde.
Eine Antwort auf “st. olavsleden 2022 (tvärtom) 2/27”
Kommentare sind geschlossen.