kungsleden (2023) – rakt fram 23/25
tag 23: servvejuhka – servestuga – tärnasjön (22.7.)
zwischen schlaf+dämmer
1 dämmerung „die dämmerung“ zu nennen, ist in etwa so rücksichtslos wie 1 schlaf „den schlaf“ zu nennen. dabei kennen die meisten wohl die verschiedenen schlafphasen, die der körper in 1 mehroderweniger regelmäßigen rhythmus nachts durchläuft: den leichten schlaf (phase a+b), den tiefen schlaf (den wir uns wünschen) + den traumreichen rapid-eye-movement schlaf (rem-schlaf), der uns die ereignisreichsten stunden beschert.
aber dass 1 dämmerung 3 phasen durchläuft, hab ich entweder vergessen oder nie gelernt: die nautische, die astronomische + die bürgerliche dämmerung. wer mag, kann sich über die verschiedenen gradstellungen der sonne unterm horizont hier 1 bild davon machen – ich bräuchte 1 fassbares modell, ums zu begreifen. was ich verstehe jetzt, ist, dass ich bisher die 1 stunde vor sonnenaufgang immer für 1 phase hielt, zu ders schon möglich ist, mehroderweniger ohne stirnlampe zu laufen.
what a fall!
ich werdes nicht nachrechnen, inwieweit hier knapp vor der servestuga knapp 1 monat nach midsommar noch abend+morgendämmerung ineinander überfließen oder schon von 1–2 nachtstunden geteilt werden. klar ist, dass mein „schlaf“, möglicherweise auch dank der kalorienreduktion aufgrund des hohen verbrauchs als leichter schlaf a bis maximal b gewertet werden kann. zwischendurch wache ich ständig auf, als ob der körper riefe: „auf zur jagd!“, obwohl ich nicht jage, sondern sammle, wenn überhaupt.
durch das üppige abendmahl gestern nach 1 langen wandertagnacht brauche ich diesmal mehr als 12 stunden aufenthalt + erst nach 4 uhr morgens schieße ich die 1. bilder des tages, der grauingrau vom regen erzählt, der auf mich wartet. weder fliegen noch mücken noch tosender wasserfall habens geschafft, mich früher ausn fake-federn kriechen zu lassen. dafür spute ich mich jetzt mitm aufbruch, die sonne verabschiedet sich mit 1 letzten auf+durchleuchten – jede minute ohne erguss will genutzt sein.
tack! (danke)
in der nahegelegenen serve-hütte benutze ich gleich nochmal das utedass, während drinnen alle friedlich in ihren zelten+kojen liegen. die klohäuschen sind geruchsfreundlich mit wunderbäumen ausstaffiert + 1 poetische*r/philosophische*r stugvärd hat die wände mit selbstgemachten fotos mit sprüchen dekoriert, wie etwa „när vi acceptera våra gränser, kan vi passerar dem“ (wenn wir unsere grenzen akzeptieren, können wir über sie hinausgehen). ich denke, ich habe meine grenze längst überschritten. aber ich will auch nicht mitm heli abgeholt werden, also gehe ich weiter.
der aufstieg aufn servvetjåhkka beschert den famostesten ausblick auf das servvejuhka-tal mit zahlreichen gebirgslandschaften ringsum, das ammarfjället + das guvertfjället, die sich 1 nebelwettrennen im pikaboo liefern. 1 unglaubliches drama als reale kulisse – wenn man sich doch nur aufhalten könnte hier: man müsste stundenlang stehen+staunen auf diese giganten im nebelmeer. in meiner richtung für minuten 1 bläulicher himmel – auch fantastisch.
anschluss
müde gesichter, die um zelte schleichen, grüßen mich mit hochgezogenen augenbrauen – zumindest projiziere ich diese in die verschnürten köpfe hinein. ich kann mich kaum sattsehen an all den schwaden, aber vielleicht bin ich auch müde + will nur für fotopausen stehenbleiben. falls es grad nichts neues abzulichten gibt, weil ich nicht weit genug gekommen, damit sich die szenerie geändert, versuche ich empfang zu kriegen für 1 blick in die wetter-app. auch 1 nachricht höre ich ab.
wo empfang ist, ist zivilisation nicht weit. an der schönsten stelle inmitten der unberührten natur hat sich 1 privatperson 1 privathütte an 1 see gebaut. sie sieht nicht aus, wie 1 der herkömmlichen renvaktarstugor, die die sámi selbst gestern auf höchstem berg im steinmeer noch ohne weiteres platzieren, dass man vorbeigeht im nichts + sich denkt: ach schau: da wohnt haust jemand. hier wohnt jemand, der entweder mitm heli im sommer heranfliegen muss oder im winter mitm skooter zum eisfischen herbraust.
privat
die dunklen sámi-hütten + -dörfer sind so eingefügt ins land wie die berge+seen selber, sie scheinen wie die steine ausm/aufm fjäll gewachsen, als müsstes so sein. so 1 rote ferienhütte aber mit blauem utedass seh ich zum 1. mal, es erinnert mich an den olavsleden, wo an jedem noch so unzugänglichen gewässer jemand 1–3 hütten gebaut, ja ganze höfe.
dass keine zäune drumrumstehen, liegt vermutlich nur daran, dass 1. das dazugehörige land so groß ist, dass es sich nicht lohnt, so viel instandzuhaltenden zaun aufzustellen, + 2. dass kaum jemand vorbeikommt, den das nichts angeht. für den fall der fälle hängen in spärlich bebauten gegenden zur sicherheit schilder, die darauf hinweisen, dass der nachbar nicht weit + 1 auge drauf hat.
utmaningar (herausforderungen)
als ich schon richtung abstieg zur tärna-hütte komme, verschwinden die schneebedeckten berge des norra storfjället im dunst. hinterm tärnasjön käme 1 gelegenheit, den zweithöchsten berg zu besteigen, den sytertoppen n mit 1768 m. später werde ich viele wander*innen am fuße zelten sehen, die sich den aufstieg als tagesetappe eingeplant haben. die vielen warnungen in allen lektüren zum aufstieg + rasanten wetterwechsel aufm berg, lassen ihn aber noch mehr als den höchsten1 berg, den kebnekaise, gerade (oder überhaupt) als unerschwinglich in den wolken verschwinden.
ich habe auch gar keine ambitionen mehr, ich habe es nicht geplant, ich brauche keine mutprobe, meine tage sind gezählt. bevor ich da raufginge, müsste ich aufn kebnekaise, allein wegen nils holgersson, + ob das klappt, steht ebenfalls in den stjärnorna (den sternen).
luxuspüppchen
im gegenteil: ich freue mich jetzt mehr auf die stuga, 1 bastu, 1 warmes essen in der warmen kök (küche), wobei ich noch hin+her überlege, ob ich noch weitergehen soll, denns wäre noch zeit: ich bin früh dran + die etappe war nicht lang. aber der fuß schmerzt unerträglich + das wetter droht mit dauerregen. während ich vor sälka noch stundenlang die optionen gewälzt habe, bin ich jetzt über 2 wochen später sehr schnell mit der entscheidung, das zelt aufzubauen, als ich sehe, dass der shop geschlossen ist bis nachmittags.
ich sage auch nichts, als die stugvärd 4 deutsche wander*innen unverrichteter dinge weiterschickt, die noch was kaufen wollten. es ist die gruppe, die ich später noch mehrmals ein+überholen werde, so wie sie mich. ich sage auch nichts, als die stugvärd 2 schwedischen supersportlern, die vermutlich vom berg kommen oder hinaufwollen, dagegen den shop auf nachfrage öffnet, weil mia san mia. ich habe keinen anderen zeltplatz aufm kommenden wegstück gesehen, wofür sichs lohnen würde, das risiko 1 ablehnung einzugehen, die ich mit meinen wenigen schwedischbrocken vermutlich ebenso bekäme auf die frage, ob ich jetzt schon was kaufen könnte.
sparsam
was ich ihr sage, ist, dass ich schon mal holz gehackt hätte, + zeige ihr zum beweis den immer noch bepflasterten finger, als sie mich drauf hinweist, dass wir später die sauna anzünden könnten, wenn genug leute kämen, die auch holz hacken würden.
als die schmale person, die sicher nie 1 schokoriegel zu viel aus der überfüllten speisekammer entwendet, bei der ich, wenn ich hier arbeiten würde, ständig in versuchung geriete, mir den magen mit junkfood zu stopfen, den shop öffnet, liefere ich mir mit den mittlerweile zahlreichen angereisten 1 wettrennen im schmalen kabinett, um als 1. alle ersehnten köstlichkeiten (bier wein schnaps chips) zu ergattern. (es passt hier nicht, aber irgendwo muss ich den link zum beitrag über die essstörung im spitzensport einstellen.) für 1 gesunden müsliriegel dränge ich sogar noch 1 andere person ausm weg, dann funktioniert die kartenzahlung bei mir nicht, so dass ich nochmal zurück muss.
nein, ich klage nicht. ich schlafe lieber.
in meinem zelt angekommen, schnarche ich neben 1 jungen wander*innengruppe einige stunden durch + schaue dann kurz nachm rechten. doch anstatt in die sauna zu gehen + 1 warme suppe zu kochen, ziehe ich mich, nachdem ich im getröpfel die wäsche + mich ausnahmsweise aufm utedass gewaschen habe, ins zelt zurück + kleistere mir mitn neu entdecken schokokeksen + warmem tee den magen zu. nach all den konservierungsstoffeskapaden sind die magentabletten auf 1 minimum geschrumpft + ich muss sehen, dass ich/sie bis zum ende durchhalte/n.
irgendetwas an dieser situation hier stresst mich. vielleicht die stugvärd, das klare unterscheiden von einheimischen+tourist*innen. der drohende regen, der jetzt prasselt + nicht aufhören will. die mürrischen mückenmyriaden zwischen den zeltwänden, die lauter als jeder regen. der einzelne tropfen, der immer noch beständig dort, wo meine stirn ruht, von der decke tropft. oder die wetter-app, die hier unten keinen empfang mehr hat, von der ich aber zahlreiche bildschirmfotos gemacht habe, um für später gerüstet zu sein, + auf denen ich erst nach stundenlangem hiRnstarren den werbesatz am unteren bildschirmrand als personalisierte werbung entdecke: „nicht die füße wundlaufen willst“. ja, timing ist alles. it’s too late. my feet are already sore. (meine füße sind längst sauer.)
ach ach. wie soll das alles werden? ich muss jetzt dringend ruhen.
- hier kommt man nicht umhin, dazuzusagen, dass der höchste berg seit 2019 nicht mehr der höchste berg ist: der glaciären (gletscher) aufm sydtoppen des kebnekaise schmilzt nämlich dank des menschenverursachten klimawandels seit jahrzehnten seinem unweigerlichen ende entgegen, weshalb der bis zu seiner gleichbleibenden höhe aus stein bestehende nordtoppen des kebnekaise damit zum neuen höchsten punkt ausgerufen werden musste. (quelle: turist. nr. 4. stf-magazin. 10.11.2023. s. 12. så smälter glaciärerna. turist.se) ↩︎