kungsleden (2023) – rakt fram 18/25

tag 18: bárasjuhka – láddiebákttie (17.7.)

(c) kaschpar

regen_pause

mitten in der nacht, als ich zum utedass gehe, sehe ich 1 zelt draußen an der hütte stehen, wo jemand – nicht ich – wie sichs gehört seine eigene unterkunft aufgebaut hat, anstatt drinnen in der NOTunterkunft zu nächtigen. ich hoffe nur, dass ich die person durch mein herumliegen nicht davon abgehalten habe, die bequemlichkeiten zu nutzen.

bemerkenswerterweise ists hell+trocken. tatsächlich richtig freundlich. um 2 uhr morgens hat sich das wetter fürn moment verzogen + der nächtliche leuchtende himmel zeigt sich mit den frühmorgenstrahlen in sonnigem glanz. ich bin etwas durch, habe kaum geschlafen, nur geruht, bisschen gedöst. sonst bin ich übernächtigt, noch voll des gesprächs. ich brauche ein bisschen, bis ichs raffe: jetzt könnt ich gehen!

dämmerung

dann geh ich jetzt los?! es ist mitten in der nacht, halb 3, als ich den geschnürten rucksack aufn schultern balanciere, um 1 abschiedsfoto zu knipsen. gerade habe ich noch herzklopfend gefegt + die spuren meines aufenthalts verwischt, 1 liegengebliebenen spork eingesteckt, den ich später woanders für d. nächste*n zurücklasse + versucht, das restfegefeuer zu beseitigen, das noch mit letztem hauch im ofen glühte. nicht, dass was passiert!

jetzt stapf ich durch knöchelbiskniehohes gras die anhöhe hinauf, hie+da seh ich verstreut einzwei zelte unter birken geschützt. frommes schnarchen zeigt an, dass es 1 wunder braucht, um müde menschen aus 1 verdienten schlaf nach 1 durchnässten regentag zu wecken. es hat etwas unheimliches, an schlafenden vorbeizugehen, weil man nie weiß, obs nicht doch bemerkt wird, 1 vorhang/reißverschluss sich öffnet + jemand herauslugt, was da draußen so schlurft. wie sollt ichs erklären, dass ich mitten in der nacht umhergeistere?

aufgestanden

es ist mein ding. seit corona die welt mit 1 pandemie überzogen, die alle berliner*innen zwang, daheim zu bleiben oder nach brandenburg zu fahren, bin ich kaum mehr tagsüber 1 runde gelaufen. ich bin frühmorgens vor sonnenaufgang hinaus aufs land, damit ich bei dämmerung losziehen kann. bei gutem wetter kann man 1 stunde vor aufgang schon so gut kucken, dass es sich lohnt, früh vor ort zu sein. bei 1 wegstrecke von 2 stunden muss man 3 stunden vorher los. hat man nicht rechtzeitig gepackt am vorabend, muss man 1 stunde vor aufbruch aufstehen. also bin ich oft schon um einzwei uhr nachts mitm weckruf aufgestanden, paket geschnürt, zur bahn gelaufen, um um 4 uhr bereit zu sein für den tag.

vielleicht steh ich nur wegen des sonnenaufgangs auf, weil jedes mal, wenn ich am wochenende 1 verpass, seis durch bewölkung oder verschlafen/verfahren/vertun, stichts mir ins herz, als ob dieser tag nie wieder käme. tut er ja auch nicht. aber warum hängt man sein herz so an 1 umdrehung der erde, deren voranschreiten man nicht aufhalten kann? ists auch, weil sonst niemand unterwegs um die zeit außer den zugführer*innen+schaffner*innen, deren einziger gast ihnen zum abschied winkt? weil ich zu denen dazugehöre, die einsam ihre runden ziehen in der nacht?

who wants to live forever

hier versteckt sich der sonnenaufgang noch hinter den schleiern, die ich hinter mich gebracht im schlaf. auf die nächste wand lauf ich zu, aber dazwischen schickt mir der stern, an dessen verglühen unser leben hängt, mit einzwei strahlen 1 ahnung davon, wies sein könnte, wenn ich nicht mehr bin. wenn ich jemand/etwas anderes.

mit der nächsten tätowierung, sage ich zum tätowierer, der freihand auf meinem körper 1 efeu erzeugt, werd ich zum baum. schling 1 pflanze um meinen leib. dazwischen mümmeln die biber+otter an ihren zweigen+muscheln. wend sie nah herum um die pinguine, die du schon eingerahmt hast ins schwarze grün. 1 baum möcht ich werden. unter 1 baum möcht ich begraben sein. + hoffentlich vergräbt er trotz klimawandel recht lang seine wurzeln in meiner erde.

erst rumpeln dann humpeln

mein linker fuß schmerzt ohne ende + ich stütze mich auf die stöcke + stolper übers fjäll. nur 1 stück möcht ich gehen, nur so langs wetter hält. schau doch, wie schön! ich bin ganz gerührt, ich weiß gar nicht wieso. vielleicht, weil ich diese tolle idee hatte. ein bisschen warten. weils geklappt hat, das wetter sich verzogen + ich wie vor vakkatovare übern berg laufe allein, während alles rum um mich schläft. weil ich so 1 glück habe, dass die sonne mit mir läuft.

sie ist 1 verführung, die neurose, sie bildet dir ein, alles drehe sich um dich. nur, weil du angst hast. weil du nicht gekriegt, was du gebraucht. irgendwann drehst du durch. es heißt heute nicht mehr, man sei verrückt. heute sind wir neurodivers. ich wünschte manchmal, ich wäre später geboren. in 1 welt, die me too schreit + männern grenzen aufzeigt, die ich verpasst habe, zu ziehen. 1 welt, in der man queer sein kann + nicht sein begehren definieren+erklären muss. in 1 welt, in ders nicht normal ist, kinder zu schlagen, seis mit worten/schweigen/taten. in 1 welt, die dich fragt, was du werden willst. die versucht, aus dir 1 persönlichkeit zu entwickeln, kein rad im getriebe. dann schau ich in andere länder + schüttel den kopf. dann hab ich manchmal die schnauze voll von dieser art welt.

ich bin im paradies

(c) kaschpar

vielleicht bin ich deswegen gerne allein im sonnenaufgang mitten in der nacht, wo ich mir einbilden kann, alles sei anders. wo mein idealbild von 1 welt, wie ichs mir wünsche – z.b. mitm regenbogen, der sich in der ferne gnädig übers land beugt -, nicht gestört. dann merk ich plötzlich, was für 1 eindringling ich hier bin, wie die tiere vor mir flüchten aus angst, ich würde sie metzeln, wie ich eingefügt ins große jagen+fressen. die natur hat mir nichts zu sagen, hartmut rosa, die natur kommt ganz gut ohne mich zurecht. aber ich nicht ohne die natur.

1 lange zeit kann ich schön so sinnieren, dann ziehen die wolken zu + alles ist wie vorhin. der niesel kommt, aber nun bin ich schon im naturschutzgebiet. sjnulttjie ist deswegen vogelschutzpunkt, weils hier die meisten mücken gibt, von denen die vögel sich nähren. oders andersrum, ich weiß es nicht. es kommt plötzlich der moment, schmerzen hinoderher, ich muss weitergehen, sonst fressen die viecher mich auf. sie saugen dich aus, diese schnaken.

regen_bogen

ich schaffes bis zu 1 brücke ausm gröbsten raus zu sein, da leg ich alles ab, kochs frühstück, kneippe im fluss, obwohls mit den nassen socken nicht nötig wäre, gleich hab ich eisklötze an den beinen, was gut für den schmerz. dann schaff ichs gerade noch zu essen, bevor die tropfen vom himmel mir den porridge verwässern. als ich noch am einpacken bin, sehe ich die schwedin herankommen, die mit großen augen gar nicht versteht, dass ich, die sie vorhin in der rasthütte zurückgelassen, jetzt vor ihr bin.

ich bin voller euphorie durch meinen coup + komme mir wie 1 sonnenkind vor, dem das bisschen niesel+regen jetzt auch nichts mehr anhaben kann. ich bin ausm gröbsten raus. ich habs geschafft, bin aufgebrochen/ausgebrochen ausm hüttengefängnis – es brauchte zwar 1 regenloch, aber jetzt bin ich drin. die schwedin lacht: in sjnulttjie hätte sie 1 pärchen getroffen, das bereits den 2. tag dort in der notfallhütte ausharre in der hoffnung, das wetter bessere sich. mitten in der nacht seien auch sie losgezogen. lustig. ich muss sie verpasst haben auf meinem einsamen weg in der nacht. die begegnung hätte mir sicher meinen text übers einsame nachtwandern gekürzt.

go to gether

zum 2. mal gehe ich mit jemandem zusammen 1 stück weg. wir plaudern über kiruna + die schwedin erzählt mir von der kirche, die sie dort versetzen. wir plaudern weiter übers wandern, das wetter + meine bewunderung für die schwed*innen, die bei jedem wetter einfach weitergehen ohne angst zu ertrinken oder versinken. ich weise auf meine eigene feigheit hin + nehme mir vor, ab jetzt mich nicht mehr abhalten zu lassen von 1 schauer. (aber zu groß wird das verlangen sein, das glück des regenlochs erneut zu erhaschen, das einsame narzisstische sonnenkind zu sein.)

(c) kaschpar

sie bietet mir aus ihrem unerschöpflichem vorrat noch 1 schokolade an, die ich ohne gewissensbisse ihr ausn händen reiße + verschlinge, ohne ihr im gegenzug was anzubieten, was ich erst sehr viel später bemerke, als ich meine spärlichen vorräte zähle beim abschätzen des müslis für die nächsten zwei tage. auch das könnt ich noch lernen: so viel mitzunehmen, dass ich anderen was anbieten kann.

trennung

als wir den unteren fuß des láddiebákktie hinaufsteigen, breitet sich das stijguojávrrie-flussdelta unter uns aus + ich muss nun doch mal stehenbleiben + ein paar fotos machen. die wolken ziehen wieder ab + auf dem nächsten hügel merke ich, dass ich müde bin. ich bin schon so weit gelaufen, jetzt glaube ich, baue ich mein zelt auf. ausm naturschutzgebiet sind wir raus + wir sind hoch genug, dass nicht zu viele mücken rumschwirren.

ich verabschiede mich von der schwedin, mit der ich nummern ausgetauscht, die wir bis heute nicht angerufen. aber ich hab sie gespeichert + irgendwann werd ich ihr die bilder schicken vom umweg, was der rechtmäßige weg, den sie, obwohl sie hier alles zigtausendmal schon durchstreift, noch nicht gegangen ist. als sie sich verabschiedet, bin ich ein wenig traurig, weils doch auch schön sein kann, zu zweit zu gehen.

morgens klockan 11 (uhr) in schweden

als ich mein zelt aufstelle, ists morgens um 11 uhr. es ist etwas seltsam, jetzt sich zum schlafen hinzulegen, wo noch der ganze tag vor mir schwebt, aber nun hab ich die grenze definitiv überschritten, wo ich noch weitergehen kann. + die grenze der zeit, die für 1 wanderung normalerweise bestimmt. ich bin ausm rhythmus. also ists egal.

als ich um 17 uhr verschlafen ausm schlafsack kucke, ziehen gerade große dunkle wolken auf, die den nächsten schauerbissturm ankündigen. hab ich schon erzählt, dass meine regenhülle fürn rucksack zu klein ist? na. jetzt bleib ich erst recht liegen. der sturm zieht+zappelt extrem an meinem zelt, den schnüren+wänden + die mücken tummeln sich munter im geschützten bereich. ich lege mich hin + lausche dem wind. mehr mach ich nicht. einfach zuhören. der wind fährt mich etwas barsch an, was ich hier mitten in seinem weg herumläge + der regen prasselt auf mein dünnes dach überm kopf, als suchte er die lücken, wo er hereinkann. ich aber liege im sturmzelt + denke, das gehöre sich so. vielleicht spricht die natur doch mit mir?

red einfach weiter. ich hör dir schon zu.