kungsleden (2023) – rakt fram 8/25
tag 8: sitojaure – skierfe – aktse (7.7.)
über_mut
eigentlich sieht morgens alles gut aus, weil 1 lichtstrahl durchs zelt scheint. ich bin guter dinge + stehe wieder früh auf. die letzten tage lief alles so gut (?), vielleicht könnte ich diese kurze etappe von 9 km wieder mit 1 stück zusammenlegen. ein bisschen was einsparen. das späte abendboot kriegen + den abstecher zum skierfe gleich mit. warum nicht? vielleicht werde ich auch bisschen übermütig.
als g.+ich 2014 hier liefen, dachten wir keineswegs an abstecher. ich wollte diesmal auch keine machen außerm kebnekaise, den musst ich nun streichen. seit ich die bilder vom skierfe-ausblick gesehen habe, will ich da hin – das möcht ich nicht auch noch von der liste nehmen. ich werde hier sicher nie wieder herkommen. wenn, dann jetzt.
3 hints
ich packe alles zusammen + erwische anscheinend die einzige regenfreie lücke. der boden um mich rum ist schon nass + das zelt hinterlässt für kurze zeit 1 trockenen fleck wie andy goldsworthys rain shadows. es fängt auch gleich wieder an, wenn auch erst mit niesel, ich ziehe die regenhose an+aus, es geht erstmal so.
mitm mückennetz mache ich noch 1 paar lustige selfies – es ist das 1. mal, dass ichs für notwendig erachte, gar nicht wegen der angst vor stichen, sondern einfach, weil das gesurre im gesicht während des packens unerträglich ist. wo ich gestern noch surrmeditation aufm stein geübt habe, halte ichs jetzt kaum aus. ich will los. die unruhe setzt wieder ein + es könnte schon der 1. hint sein, dass es nicht gut ausgehen wird, aber ich ignoriers. ich will den berg, das njunjes-gebiet, hoch, zuerst den mártevárásj, vor allen anderen da rüber zwischen nuortoajvásj+doaresoajvve, am abend gleich weiter. der 2. hint, den ich nicht nur ignoriere, ich tue so, als gäbs ihn nicht.
it’s raining rain – noch
also noch schön die tasse kalten tee im regen geschlürft, das frühstück eingepackt, aufm berg oben wird schon 1 schönes plätzchen sein, denke ich, während meine hände kalt werden + die handschuhe ihre wetterfestigkeit zeigen können. ich habe extra wasserdichte gekauft, bisschen klein, aber gut, nur, dass das wasser auch über die öffnungen ins futter fließen kann wies in die schuhe über die socken trieft, wies über die lücken in den nacken tropft: das habe ich nicht berechnet. ich müsstes wissen vom letzten mal. aber naja.
ich bin nicht traurig wegen des regens: schon einige gespräche gings hier um die ungewöhnlich krasse sonneneinstrahlung, die zwar nicht die 30° marke überschreitet in diesen breiten, aber über der baumgrenze dennoch gnadenlos alles niederbrennt – rundumdieuhr, wenn auch abgeschwächt nachts. es wird einem*einer auch richtig mulmig zumute, wenn man stets die fotos mit wolkenverhangenen berghängen + menschen in regenmontur im kopf hat, während man im shirt sich 1 sonnenbrand nachm andern holt. die stugvärdar + tourist*innen mit erfahrung können gut einschätzen, dass das nicht 1 außergewöhnlicher sommer ist. es ist klimawandel + wir sind mittendrin. nur merken wirs nicht/betriffts uns nicht/fühlen wir uns ohnmächtig: warum auch immer wir zu wenig motivation habens, zu beeinflussen: es kann nicht mehr lange dauern, dass die veränderungen unser wahrnehmbares tempo annehmen + wirs noch zu lebzeiten merken: „ach ja doch. stimmt. das ist 1 problem.“ nur wirds dann zu spät sein für die klimawende + ich sage nicht „vielleicht“.
der weg ist steil+rutschig, die slipping slopes wieder, es gibt richtige kleine krater+klafter von den jahrtausendealten schmelzwasservorgängen, in die man geraten könnte. ich stoße die stockspitzen dort in die erde, wo schon vor mir zahlreiche wander*innen ihre spuren hinterlassen haben + keuche nicht schlecht den berg hoch – außen nass + innen schwitzen. jetzt nur nicht erkälten. es hungert mich, aber ich hoffe, es wird noch gemütlicher fürs fast break.
how to adjust a backpack
ich mache noch 1 paar bilder von der aussicht, bevor ich an den rutschigen abhängen nicht mehr anhalten kann wegen absturzgefahr. nur die regenhose muss ich rauskramen mittendrin mit den schuhen eingespannt in die schräge, weil sonst ists zu spät. der regen peitscht, wenn nicht als dusche, so doch als beständige gischt, die mit gegenwind in jeder erdenklichen richtung durch die ritzen prescht. auch aufm plateau muss ich den rucksack öfters absetzen, zuletzt wegen der regenhandyhülle, die ich extra mitgeschleppt habe: die muss ich jetzt benutzen. es gibt auch keinen grund, den rucksack nicht abzuschnallen + mit 3-facher spezialverriegelung wieder aufzuschnallen:
- aufsetzen
- schultergurte anziehen + hochschnallen
- hüftgurt festzurren
- schultergurte nachlassen, bis das gewicht auf die hüfte fällt, nochmal anzurren
- zuletzt mit den obersten rückenschnallen den rucksack an den rücken zwingen
- letztes prüfen + los.
- (beim gehen nochmal rumfuchteln bis alles wieder schief sitzt.)
es gibt keinen grund das nicht zu tun, wie bequemlichkeit/umständlichkeit/zeitverlust: wenn dus dabei hast, dann hols raus + verwends, sonst ists 1 schmarrn, dass dus mitgenommen hast. bei der gelegenheit 1 paar fotos machen: aha, vorne+hinten siehts gleich aus, schön, da mache ich bilder für die vor+nach_her reihe. das wäre der 3. hint gewesen. noch 1 panoramabild von der nicht-aussicht rundrum + weitergehts.
pan o rama
vielleicht komme ich jetzt an dem schild vorbei, das die sámi-familie fürn bootsverkehr übern sitojaure aufgestellt hat: hier aufm berg den vorhandenen handybalken nutzen für die bootsbestellung, von alleine komme niemand. vielleicht verstehe ichs nicht, weil es von aktse aus wieder 1 bootstransfer geben wird. ich schaue auch, ob ich den balken habe – schicke ich gleich noch 1 nachricht?
verlaufen kann man sich nicht aufm berg. selbst wenn er wie jetzt überall gleich aussieht: es gibt die roten punkte in dichten abständen, selbst als der regen sich zu 1 nebelbank verdichtet + nichts im graugrünen meer mehr erkannt werden kann außer – und jetzt begreif ichs – rote punkte! (außer vielleicht bei rot/grün-schwäche?!): man kann sich doch hier nicht verlaufen? ich denke gar nicht daran, das handy zu prüfen, den kompass zu fragen, die karte dem regen auszusetzen. ich laufe ja den punkten nach!
schau: wie schön!
spätestens jetzt hätte ich etwas anderes als ankommen im kopf haben müssen – der skierfe bei diesem wetter ohne utsikt macht irgendwie auch nicht sinn. was auch immer ich im kopf habe: er ist so voll, dass ich, als ich an die kuppe komme, wos wieder hinabgeht, tatsächlich 1 foto knippse + denke: oh wie schön ists auf der anderen seite!
ich steige die rutschigen klippen hinab + gehe sogar den kleinen hügel noch hinauf, der vielleicht ein bisschen ausblick noch bietet, dann sehe ich leute entgegenkommen. zuallererst: den wanderer, der mir das hacken beibrachte. ich hatte ihn gestern auch kurz getroffen, als er an 1 der wenigen großen steine rast machte, er fragte mich, wies meinem finger ginge. schon ok, meinte ich. jetzt schaut er ungläubig aus seinem gelben regenrock hervor + ruft mir von weitem zu:
går du tillbaka? (gehst du zurück?)
ich lache erst + rufe: nej, du?! und denke, er geht in die falsche richtung. aber es ist 1 alter schwede – wie könnte er sich hier verlaufen? es dauert 1 kurzen moment, dann fährt mir der schock in die stöcke + alle anhängenden glieder: ich bin zurückgelaufen? er läuft an mir vorbei + ich hefte mich an seine fersen, frage ihn ungläubig: das kann doch nicht sein, das gibts doch nicht?! aber er hat schon alles gesehen. vielleicht nicht alles auf 1x. die frau, die sich aufn finger haut beim holzhacken + aufm berg umdreht + in die falsche richtung läuft. mich.
ich keuche hinter ihm her, frage, ob ich ein bisschen mit ihm gehen kann, natürlich. wir plaudern ein wenig, aber eigentlich spuCkt mir nur die scham im kopf rum: ich habe mich verlaufen. und auch noch so wie 1 depp: 1x beim panoramafotografieren (!?) zu oft umgedreht. keinen kompass angeschaut. kein handy, einfach weitergelaufen. „aha, wie schön!“ gerufen, als ich nicht gecheckt habe: da komme ich her, da war ich gerade!
von herausforderungen + schwierigkeiten
es ist 1 mental challenge, kurz vorm breakdown. ich komme dem alten mann kaum hinterher, hinter mir staut sichs, 2 mädels mit hund überholen mich, ich rufe ihm zu, ich würde langsamer gehen, er könne schon voran. er lacht: wir würden ja alle in dieselbe richtung gehen. haha. er ist zusammen mit 1 hatt (bayerisch: meute, herde, gruppe) zusammen mitm 1. boot gekommen, ich bin, wo ich gerade alles hinter mir lassen wollte, unvermittelt umgedreht + zurück in die wander*innenautobahn geraten.
mein magen klirrt vor kälte+leere + ich muss pieseln, weiß aber nicht wo, weil ich mich nicht wirklich ab vom weg mehr traue + die sicherheit der gruppe brauche, bis der regen nachlässt, es langsam aufhellt, der weg wieder sichtbar. bis es mir zu viel wird. ich muss, da sind wir schon auf der anderen seite, der richtigen diesmal, 1x ab/aus/wegtreten + ein wenig weinen. ich presse mir die tränen mit gewalt heraus, damit ich den kopfterror nicht mitnehme. was ist so schlimm daran? weil alle es mitgekriegt haben? wer sind diese leute?
ich bin allein
ich muss alles im griff haben. wenn ichs nicht kann, bin ich verloren. ich darf mir nicht aufn finger hauen, ich darf den tee nicht verschütten, ich darf mich nicht verlaufen. ich muss alles können. sonst geh ich drauf.
spätestens jetzt ist der zeitpunkt gekommen, an dem ich loslassen muss. komme was wolle. meine güte. scheiß auf die scham. own your story. ich lasse den skierfe rechts liegen, weils wetter zu schlecht für 1 aussicht, weil ich pitschepatsche + in 1 warmes bett will mittags um 12. treffe ich hier den franzosen wieder? ich glaube, hier+jetzt wars, kurz vor aktse. er wollte doch gestern zum skierfe?! ja, es sei fantastisch da oben, aber zu kalt zum schlafen, er sei zurückgelaufen + habe hier unten gezeltet. es ist schön, 1 bekannten wiederzutreffen! ich erzähle ihm gleich meine verlaufsgeschichte + wir wünschen uns alles gute.
wie lang ist 1 km?
der letzte km nach aktse ist gefühlt so lang wie die gesamte strecke – berechnet man den doppelten weg, den ich zurückgelegt habe, nicht ein. der weg den njunjes hoch das 2. mal war das schwerste, was ich bisher leisten musste, weil jeder schritt gegen widerstand läuft. erst jetzt wird mir klar, was leistungssportler mental aushalten müssen nach 1 niederlage. 1 zu groß angelegter vergleich? es kommt nachher noch besser.
aufm letzten stück nach aktse gehts steil hinab, ich merke mir 1 großen stein, 1 umgefallenenen baum + noch zweidrei andere wegmarkierungen, weil ich jedes mal denke: was? noch weiter? mittlerweile haben mich alle, die nach mir gestartet sind, überholt + ich könnte mich fragen, warum mir das so wichtig war, hier vor allen anderen rüberzukommen. weils letztes mal auch geklappt hat. übern teusajaure übersetzen + die gállaktjåhkkå-höhe hinüber, noch im sonnenschein, während viele im regen gehen mussten. ists das? oder ists einfach, weil ich überfordert bin mit all den sozialen kontakten? abers läuft doch ganz gut!?
„do you remember?“
an den stugvärd sollte ich mich erinnern, es muss derselbe sein, der uns 2014 in seinem kleinen shop, wo wir unsere vorräte auffüllten, ermahnt hat, auch noch was für die anderen übrig zu lassen, weil wir nach der beschämenden aushungerungspartie dosenweise zeug einsacken. wenn ichs recht erinnere, ist die familie hier seit generationen ansässig. ich spreche ihn auf schwedisch an + überrasche ihn damit.
alle stugvärd sprechen englisch + sind erstaunt, wenn jemand schwedisch spricht. sie vergessen zwischendurch auch + sprechen mich wieder auf englisch an. am ende bin ich für alle doch nur 1 touristin – außer für die syrerin, die jeden auf schwedisch anspricht, von den landsleuten jedoch aufgrund ihres aussehens grundsätzlich mit englisch angesprochen wird. ich haltes erst 1x allen zugute: dass sie nicht davon ausgehen, dass menschen schwedisch sprechen, dass sie zeigen, wie weltoffen sie sind + alle mitnehmen. dahinter steckt jedoch das leise ressintement, das anderen aufgrund ihres äußeren keine zugehörigkeit zu den eingeweihten einheimischen zugesteht.
er bringt mich zur hütte, wo 1 schwedische gang gerade eingetroffen ist, denen er mich als die frau, die schwedisch spricht, vorstellt. den bärtigen wikingerjungs in camouflage, die auf jagen+fischen in den sarek wollen, erzähle ich erstmal in meinem schlechten schwedisch, dass ich mich aufm berg verlaufen habe. sie begreifens nicht. ich weiß nicht, obs an meinem schwedisch liegt – alle deutschen sprechen ohne schwedischen singsang eigentlich eher deutsch mit schwedischen wörtern – oder daran, dass sie sich nicht vorstellen können, wie man sich auf diesem hügel verlaufen soll?! irgendwann sage ich verzweifelt: ich habe nichts mehr gesehen! damit lüge ich zwar, abers rettet mich auch irgendwie.
i bims!
in der hütte beziehe ich 1 bett, während die tschechische mutter, die mit ihren 2 zöpfen viel zu jung für 2 erwachsene kinder samt schwiegertochter in spe aussieht, mir 1 warme tasse tee bringt. anscheinend bin ich der talk of the day, sie haben von meiner geschichte schon gehört: so you are that! jap! i bims! own your story! ich lache noch ein bisschen, kotze koche was, heize in meinem schlafraum ein, während sie in der stube das feuer schürt, auf dass der stugvärd später uns ermahnen wird, nicht so viel holz zu verbrauchen, hänge die nassen sachen zum trocknen auf, esse mich satt+matt + lege mich hin.
als ich aufwache, sind die schweizer*innen da, denen ich noch meine geschichte erzählen muss, während ich mir 1 kaffee aufbrühe. übrigens scheint jetzt die sonne. … ?! … die sonne scheint? ich kanns nicht glauben. noch beim 1. keks schlüpfe ich in die trockene merinohose, hole das fleece + packe den leichten großen schlaufenbeutel mit 1 warmen tee in der schnell erkaltenden thermoskanne: ich muss aufn skierfe. alle schauen mich komisch an, als ob ich nicht ganz richtig im kopf wäre. oder ich schaue mich selber so an.
„blankaugade„
im shop kaufe ich noch 1 paar snacks. die frau vom stugvärd hat 1 blaues auge + ich tue mich schwer, das zu ignorieren. ich sehe bierdosen leeren, gegenstände schmeißen, fäuste fliegen, körper fallen. kalte dunkle winternächte ohne sonnenaufgang im zugeschneiten tal am zugefrorenen see. der abstand, den alle hier haben, führt auch dazu, dass man sich nicht nahe kommt, dass es leute, die herziehen, schwer haben, kontakt zu knüpfen. es führt dazu, dass viele leute hier im nicht enden wollenden kalten dunklen dunkeln depressionen kriegen. + dass es kampagnen von einzelnen bis kaffeehausketten gegen die ensamhet gibt, die aber bis hierher vielleicht nicht reichen.
ich schlage 1 lockeren lustigen ton an, wie ichs aus der wirtschaft mit all den betrunkenen besoffenen + ihren eskapaden gewöhnt bin, also als ob ich schon alles mögliche gesehen hätte, + frage sie, ob sies für 1 gute idee halte, jetzt noch zum skierfe zu wandern. sie versteht mich erst nicht mit meinem schwedisch, aber dann meint sie: „ja, det är en bra idé!“ als ich sie wegen des wetters frage, antwortet sie mir so ähnlich wie der bewanderte deutsche aus der raststuga, der meinte, ich solle in den himmel schauen, wenn ich wissen wolle, wies wetter werde: ich könne ja umkehren, wenns umschlage. so mach ichs.
up+down+up+down+up
draußen treffe ich den mann, der mir das hacken beibrachte + der mir die richtige richtung wies, ich setze mich zu ihm auf die bank + sage: „du har uplevt med mig många saker!“ (du hast viele sachen mit mir erlebt!) „mit mir hast du was mitgemacht“, will ich sagen, weiß aber nicht genau, wie. er verstehts aber, er lacht. „jaha!“ ich sage, dass ich zum skierfe gehe, + er lacht noch mehr, will aber nicht mitkommen, als ich ihn einlade. ich glaube, ich würde auch nicht mit mir mitkommen, wenn ich er wäre. sicheristsicher. (wer weiß, was ihr als nächstes passiert …)
ich renne den letzten km von aktse wieder hoch, der noch länger+länger wird. ich treffe die beiden männer mit den megarucksäcken, erst den österreicher, den ich gleich anrede, weil ich in hochstimmung bin, er ist der einzige, mit dem ich dialekt reden kann. es ist wie schwedisch mit der stugvärd zu sprechen: ein bisschen zugehörigkeit. ich bin nicht mehr ganz allein aufm weg. ich kenne die tschech*innen, die niederländerin, die schweizer*innen + nun das austria-deutsche-duo, das kein paar ist, wie ich erfahre. sie haben noch nichts davon gehört, dass ich mich verlaufen hätte, abers wäre ihnen am anfang ebenso ergangen. die grundlage jeder therapiegruppe + selbsthilfe ist eigentlich nur dieser satz: me too. ich habe nicht allein das problem. anderen gehts auch so. es erleichtert ungemein.
vet du hur vädret blir?
ich muss mich sputen, weil die sonne scheint, es könnte aber nochmal regnen + ich habe keine regenkleider dabei. 1 stück weiter oben treffe ich 1 mann mit sonnenhut, wir kommen ins gespräch, er ist von hemavan aus unterwegs, hat also den größten teil hinter sich. er ist der richtige lightweight-typ: sein rucksack wiegt nur 10 kg. er hat kein zelt, sondern 1 tarp. wir fachsimpeln über die ausrüstung, die wegbeschaffenheit, das einzelgänger*innentum, dann muss ich weiter, weil ich will ja wieder zurück, er will jedoch oben schlafen.
1 stück weiter treffe ich jemanden, den ich wie alle hier nachm wetter frage bis auf die ältere vermutlich schwedische wander*innengruppe hoch oben, die aussieht, als würde sie mir auf meine frage nicht oder nur antworten: „mädl geh heim“. wie sich herausstellt, ists der freund des franzosen! ja lustig! er ist heute morgen mitm boot hergekommen (er hat das bargeld!), jetzt noch schnell hier hoch, unten trifft er den freund + dann gehen sie weiter. sie wandern nicht den kungsleden, sondern unternehmen 1 eigene tour. ich lasse schön grüßen, weil wir sind ja quasi verschwippschwägerte freund*innen.
den nächsten, den ich nachm wetter frage, spricht gar kein schwedisch, wir reden auf englisch weiter, später werde ich ihn wiedertreffen, weil das austria-deutsche-duo ihn kennt: er ist deutscher.
1 weg ist kein weg
die wolken bauen sich im hintergrund = am horizont bedrohlich auf, aber ich laufe weiter. wenn alles gut geht, bin ich in 2–3 stunden oben, in 2–3 zurück, vielleicht schaffe ichs sogar noch zur sauna. was ist mit mir los? je tiefer das loch, in dem ich grad steckte, desto höher katalpultierts mich danach hinaus – ich wills nicht manisch nennen, weils dazu nicht pathologisch genug, aber nah dran ists. ich genießes, solangs anhält. wer weiß, ob immer drauf 1 verlass. auch bei der menopause weiß man erst retrospektiv, obs die letzte blutung war. so lang kann man hoffen.
der weg ist schlecht erkennbar + wäre bei schlechtwetter + schlechte idee. es ist 1 steinwüste. zur markierung gibts keine roten punkte, sondern graue stein*männchen*, die vor/hinter/um/zwischen/durch die steine nicht richtig erkennbar sind. der weg ist 1 kleiner pfad, der um/zwischen/über steine/felsen/schotter/kies/gestein führt. manchmal ist er sichtbar als schmale kleinkörnige ausgetretene linie, manchmal aber auch einfach nur 1 ahnung oder 1 möglichkeit im feld. es gibt keinen 1 weg, es gibt viele possibilities.
da oben auf der nunjes-höhe konnte ich mich verlaufen, aber hier: könnte ich verloren gehen. du bist doch niad gscheid. würde man daheim sagen. du bist iberdiber (überdRüber). ich kann aber nicht anders. ich muss was gut machen. mit der app orientiere ich mich in der richtung, zwischendurch sieht alles gleich aus + irgendwann gibts auch keinen weg mehr, nur steine. steinmännchenpersonen, die ich meine zu erkennen, erweisen sich als steinhaufen. trotzdem laufe ich weiter. aufn gipfel, den man hier so nennen kann, gibts viele wege. auch viele, die im nichts enden. aufm rückweg werde ich sehen, dass es 1 weg gegeben hätte, den ich von unten nicht sah. es ist ein bisschen (achtung, hier der 2. inappropriate-vergleich): wie bei den bergsteiger*innen, die 1 wand erklimmen müssen + erst mit ihrer tour den 1. weg aufn berg beschreiben. nicht ganz so extrem, aber ich fühl mich nah dran.
gipfelstürmerin
als ich oben ankomme, muss ich keine träne herauspressen, ich muss schauen, dass mir die augen trocken bleiben, damit ich was sehe. es sieht so aus wie auf den internetfotos nur in echt + besser. ich kriegs mitm handy nicht eingefasst. vor mir liegt das fruchtbare rapadalen, wo die elche reihenweise lustwandeln. ich sehe keinen, aber ich habs gelesen. ohne anfang+ende mäandert 1 hellblau-violetter spiegel durch grüne+dunkelblaue oasen, es ist 1 zeitgeschichtlicher exkurs ins paradies.
hinter mir + rechts von mir baut sich das wetter auf, es regnet + die wolken stauen sich. links von mir scheint blauer himmel von nichts zu wissen + 1 regenbogen legt sich übers tal. es ist wie 1 traum. ich habs aufgesogen+gespeichert. jetzt weiß ich, warum ich das machen musste. es ist der höhepunkt der reise. egal was kommt, das hier ist das highlight. nach der schrecklichen niederlage aufm nunjes-nebelberg-gebiet hier der aufstieg zur wahren höhe mit unglaublichem ausblick. es ist die heilung. wer vom pferd fällt, soll gleich wieder aufsteigen. ich musste mich verlaufen + nochmal los, mir selbst beweisen, dass ichs doch kann. das selbstvertrauen wiedergewinnen. es hätte schiefgehen können. ich muss auch noch zurück. abers hat geklappt. this is where you find me. over the rainbow.
1 laub wird kommen
ich trinke den tee + esse die snacks. dann verabschiede ich mich. jetzt hab ich alles gesehen. komme was wolle. I own my story. was auch passiert, ich geb nicht auf. ich geh weiter.
1 laub wird kommen
und wenn ich gehe, geh ich aufrecht
und wenn ich falle, fall ich senkrecht
und wenn ich liegenbleibe, glättet mich der wind
aufm rückweg muss ich mich beeilen, der hemavan-wanderer ist schon in seinem tarp verschwunden. ich treffe noch 1 norwegerin mit 1 gigarucksack, die mich fragt, obs weiter oben noch wasser gebe. ja, in strömen. ich will noch bisschen schwärmen von allem, aber sie ist müde + will das zelt aufbauen. ich muss ja auch heim. ich muss hinunter. ich fange an zu laufen, was ich später nur ein bisschen bereuen werde. ich laufe, weils egal ist nun, weil der regen einsetzt, weil ich pitschepatsche jetzt in der 2. garnitur + nur die wollkleidung zum schlafen noch trocken habe. ich werds bisschen bereuen, weil der fuß danach 1 knacks hat, der sich ab da nur noch verschlimmert. this is the story I’m going down with: „ich hab mich nicht verlaufen. ich hab mich nicht verletzt. alles ist gut gegangen.“ (das erzähl ich mir vorher, wenns nicht einträfe, hätte ich 1 problem. sonst: alles ok.)
aus_setzen
ich bin so angefüllt von allem, so tillfred med mig (zufrieden mit mir), ich bin froh, dass ichs geschafft habe. laufen im regen ist 1 elementares ereignis, 1 äußerliche+innere reinigung. ich rede nicht von „seltsamen vibrationen, die aus leitungen kommen, die nicht der göttlichen strahlung entsprechen“, wie der mann, auf dessen video von 1 brandenburgischen quelle ich neulich aus versehen geklickt habe. es hat viel mit den hormonen zu tun, die der körper hergibt, wenn er was schönes erlebt. was sinnhaftes. was existentielles. selbst das ganze much+more (matsch+moor) macht mir am ende nichts mehr aus, ich gehe springe hatsche einfach durch.
ich bin an/auf/erfüllt mit hormonen+emotionen, bei denen man immer aufpassen soll, obs primäre oder sekundäre, weil der ansatz des entgegengesetzten handelns nur dann funktioniere, wenns bei den primären gefühlen ansetze. wenn ich also wütend werde, weil ich angst habe, nützts nichts, gegen die wut vorzugehen. ich muss bei der angst ansetzen = mich aussetzen, das risiko eingehen + sehen, dass nichts passiert wie bei der nachtwanderung, wie beim olavsleden, wie beim kungsleden. was soll schon passieren? und das meine ich so: ich hänge mich ja nicht an 1 seil/1 schirm/1 stück tuch + springe 1 abgrund hinunter. ich stehe mit beiden beinen aufm boden. ich humple ein bisschen. ok. aber. was soll schon passieren? ich bin 45 jahre alt. ich war aufm skierfe + hab das rapadalen gesehen mit eigenen verwässerten augen. egal, was kommt. been there. done this. I am ok now.
this is the story I’m telling me you
weltfrieden wäre noch schön. bei der 1. planung der kungsleden-wanderung setzte gerade der ukrainekrieg ein + alle ziele/zukünfte erschienen plötzlich sinnlos. am geburtstag des kollegen genau 1 monat vor meinem eigenen wird mit dem hamas-überfall der krieg in israel/palästina beginnen + wieder erscheint alles, was um mich herum passiert, sinnlos. abers hilft alles nichts. ich bin politisch, aber ich setze keine großen zeichen. ich zerreiße keine papstbilder, ich wünschte, ich könnts. aber ich bin zu sehr mit mir + meiner geschichte beschäftigt. mitm überleben. und der suche nachm leben nachm überleben. vielleicht gelingts mir irgendwann. nicht mit dem papstbild. eher allgemein. auf jeden fall auf (fast) jeder demo, zu der ich gehe.
was mir heute gelungen ist: da, wo ich davonlaufen wollte, musste ich umkehren. ich denke an die person, die ich 2014 war. 1977. 1984. 1998. 2001. 2016. heute. innehalten, zurückgehen + nochmal neu starten. als ob ichs hätte nochmal machen müssen. this is the story I’m telling me. I had to go back + down to get over with it. again. ich rede mit so vielen menschen wie seit langem nicht mehr. ich lerne menschen kennen wie noch nicht zuvor auf diesem weg. ich komme in kontakt. vielleicht musste ich deswegen umkehren. nochmal neu starten. nochmal 1 stück anders gehen.
det har ja skapat! (das hab ich geschaff!)
als ich in der hütte ankomme, wo die sauna gerade schließt, gibts 1 großes hallo! beim einsetzenden regen haben die reisegefährt*innen, die jetzt welche sind, an mich gedacht. ich erzähle von den unglaublichen ausblicken, aber hier ist dauernd alles so unglaublich – man kanns nicht verständlich machen.
als später noch 1 gruppe schwed*innen in den letzten betten, auf bänken, böden – weil niemand wird zurückgelassen – einquartiert wird, komme ich, als ich wieder mitten in der nacht raus muss, mit noch jemandem ins gespräch, der draußen sitzt + schon bisschen bekifft ist, während die anderen drinnen laut grölend feiern mit 3 flaschen schnaps. zusammen wollen sie aufn skierfe gehen. bisher sei er immer vorbeigefahren mitm motorschlitten wegen naturschutzgebiet, jetzt will er hoch, weiß aber nicht, ob die anderen es schaffen.
ich erzähle ihm bisschen von meinem weg, vom verirren/suchen+finden. ich frage auch ihn: wies hier im winter sei. er erzählt von 1 hütte am see, der zugefroren mit hervorstehenden steinen aussehe im weißen winter wie 1 mondlandschaft. von den roten kreuzen in der weißen wüste als einzigen orientierungspunkten. von feuerflackern im ofen + nordlichtern am himmelszelt. im hellen dämmer stell ich mir vor, wies sein würde, hier im winter herzukommen.
dann schwirren plötzlich all die mücken, die an seine deet-haut nicht rankommen, um meine nase + ich sage god natt + lycka till!