kungsleden (2023) – rakt fram 6/25

tag 6: råssejåhkå – vakkotovare – kebnats – saltaluokta (5.7.)

(c) kaschpar

schlummern+snzoozen

als ich zur geburtszeit um 6:13 uhr aufwache, bin ich noch viel zu erschöpft, um wieder so früh loszugehen wie sonst. auch siehts draußen nicht so sonnig aus wie die letzten tage, auch wenn mir der große schauer vorerst erspart bleibt. mir ist so kalt, dass ich quasi alles anhabe, was geht + ich die 1. tänze aufführe, die mir hier angemessener vorkommen als langsame yogaübungen, um warm zu werden. mitm tee verziehe ich mich wieder ins zelt + beginne die wunden zu lecken kurieren.

1 sprachaufnahme zur ständigen angst, dass dauernd was kaputt/verloren geht/reißt/nass wird, nicht mehr funktioniert. als mich die deutsche/schwedin gestern überholte, musste ich kurz zurückblicken, um zu sehen, ob meine isomatte noch am rucksack hängt. den tick habe ich seit wanderbeginn entwickelt. weil sie im rucksack zu stark zerdrückt wird, habe ich sie außen angehängt, aber da traue ich der konstruktion nicht. als ichs ihr erklärte, antwortete sie: „ja, immer diese zwangsgedanken.“ daran hab ich gar nicht gedacht, sie muss erfahrung damit haben. ich dachte erst nur an die sicherheit: es ist ja überlebenswichtig, sonst gehts nicht weiter. jemand anderes wird mir später sagen: „warum schnürst du sie nicht so fest, dass du keine angst mehr haben musst?“ ja gute frage. wahrscheinlich brauch ich den tick/den zwang/die angst. so hat sie 1 platz.

oh weh!

(c) kaschpar

von tag zu tag bin ich mehr mit der wundpflege beschäftigt. die tauben+kribbelnden finger bewegen, die sonnenbrände eincremen, die mückenstiche mit gel, crème + antibiotischer salbe behandeln. die kratzer+schürfwunden mit bepanthen. ich habe keine handcrème dabei, was sich spätestens jetzt rächt, da die finger immer spröder+rissiger werden. auch die nagelschere habe ich daheimgelassen, das wäre auch was für 1 nächstes mal, wo man nicht sparen muss. die 1 crème für alles reicht quasi für nichts + sorgt auch nicht gut, weils nur die dünne lotion ist, bei der ich dachte, sie verteilt sich wenigstens gut + zieht schnell ein. das tut sie auch. schwupps ist sie weg, als ob nie was gewesen. 1 fettcrème bräuchte ich!

die 1. pflaster gehen drauf für die stellen, wo ich selbst mit salbe nicht mehr weit komme + die füße fangen an, schwielen zu bilden über wassergefüllten stellen, die blasen werden könnten, wenn sies nicht schon sind. das zelt ist so klein, dass ich dabei nicht wirklich aufrecht sitzen kann. manchmal wasche ich mich auch gleich direkt im zelt. ich teile mir die waschschüssel mit meinem essen + hoffe inständig, dass keine bakterien von 1 zum anderen wandern. aber wie christine türmer, die meistgewanderte frau deutschlands, richtig sagt: es ist 1 leben im dreck. + es ist auch irgendwann nicht mehr so wichtig, ob da 1 mücke im müsli ist oder nicht.

nur nicht den bus verpassen!

der rest der tagesetappe ist kurz + der bus soll um 14 uhr oder so kommen, also ist zeit + ich liege noch etwas faul herum. bis ich um 9 uhr endlich sack+pack beieinander habe, kommen einige der anderen, die gestern noch am zeltplatz schliefen zigtausend kilometer entfernt, schon an mir vorbei. ich lasse sie vorausgehen + halte den anstandsabstand in der kargen landschaft, wo sichs komisch anfühlen würde, pilgerten wir hintereinander her. so wie es sich jetzt im fitnessstudiozirkel komisch anfühlt, wenn jemand an gerät 1 startet, weil mans muss, wo man selber grad an gerät 2 sitzt, wenn der gesamte zirkel bis nr. 9 sonst leer steht. vielleicht tut man sich im fjäll auch besser zusammen. ich werde noch draufkommen.

jetzt gehts bergab

(c) kaschpar

der abstieg, der gestern schon fast erreicht schien – es wird 1 steiles stück mitm wasserfall hinunter geben – ist immer noch weit entfernt, erst kommt der abstieg zum abstieg. auf der wander*innenautobahn, wo ich mich gerade befinde, nachdem nacheinander alle eintrudeln, um den bus zu erreichen, ists schwer, 1 versteckten busch zum pieseln zu finden. gerade, wenn man denkt, man hat 1 erwischt, taucht 1 bunte regenrucksackhülle auf. ich liefere mir mit der polnischen gruppe 1 richtiges rennen, dabei ist nie zu wissen, ob sie jetzt alle vorbei sind, manchmal wartet 1 unten auf 1 zurückgebliebenen, der wie ich gerade irgendwo sich 1 versteck gesucht hat. am ende ists auch egal, alle müssen ja mal.

wer nicht auf jemand anderen wartet, zieht sich an oder aus. hat man die regenjacke gerade an, weils doch bisschen nieselt, wird einem schnell wieder zu warm mitm fleece + man muss etwas ausziehen. 1 aus der gruppe, der gerade auf 1 anderen gewartet, den ich überholt, fliegt mit schnellen schritten den abhang an mir vorbei, er tut sich nichts. ich aber komme zum 1. mal, weils so schön bergab läuft, aufm geröll ins rutschen, es ist feucht + schlittrig, abers macht auch spaß. 1 stück später treffe ich den überholer wieder, als er 1 jacke anzieht, wos jetzt doch wieder frisch geworden ist. „it’s an on+off thing“, sage ich zu ihm, als ich vorbeigehe, wo ich ja gerade auch was aus/angezogen habe, als er mich überholte. „pretty much so“, antwortet er ohne zu lächeln + ich bin mir nicht sicher, wo seine gute laune steckt: wetter hinoderher: es ist doch trotz allem toll, hier zu sein.

stalotomt + sjöfallet

die aufregung steigt, je weiter ich runterkomme. die aussicht auf den suorvajaure ist – wie meistens die utsikter hier – von birken begrenzt. ich halte für 1 meditationsminute bei 1 stalotomt-stelle, wo kein stalotomt zu sehen ist, habe aber zu viele wander*innen um mich herum, um mich konzentrieren zu können.

Men vad är då en stalotomt?
Namnet är lite olyckligt, en kvarleva från 1900-talets början och ett barn av sin tid. I själva verket är de rester av kåtor.
Den moderna forskningen har visat att dessa kåtagrunder troligen är lämningar efter en permanent renskötarbosättning från vikingatid, under 800-1100-tal. I dag är stalotomterna synliga som runda till ovala grunder med en obruten vall.
Bottenplanet är nedsänkt och i mitten finns en árran/ eldstad.
Stalotomter ligger vanligen pa rad, nära varandra, på flacka terrasser vid små bäckar. Du kan hitta dem från Jämtland upp till de nordligaste delarna av Norrbotten.
Här ovanför Vakkudavárre finns flera platser med just stalotomter!

quelle: erklärschild laponia

aber was ist 1 stalotomt?
der name ist etwas unglücklich, 1 überbleibsel aus dem anfänglichen 20. jh. + 1 kind seiner zeit. in wirklichkeit sind es überreste von hütten.
die morderne forschung hat gezeigt, dass die hütten wahrscheinlich überreste 1 dauernden rentierzüchtersiedlung aus der wikingerzeit sind, aus dem 9.-12. jh. heute sind sind die stalotomterna so etwas wie runde bis ovala fundament mit 1 ungebrochenen wall.
der grund ist abgesenkt + in der mitte gibt es 1 feuerstelle.
stalotomter liegen gewöhnlich in 1 reihe, nah beieinander, auf flachen terrassen mit kleinen bächen. du kannst sie von jämtland bis in den höchsten teil des norbottens sehen.
hier über vakkudavárre gibt es mehrere stellen mit stalotomter!
(c) kaschpar

ich verfolge den wasserfall, der jetzt wohl erst der stor sjöfallet ist, nicht der bei teusajaure. irgendwann steht plötzlich zwischen den birken 1 riesiger strommast + zeigt an: wir sind zurück in der zivilisation. da unten ist auch schon die landstraße + die 1. brummis tuckern vorbei.

an der hütte angekommen sitzen schon alle aufn bänken im niesel + warten aufn bus, der kommen soll. an die trinkwasserquelle kommt man nur mit 1 gigantischen schöpflöffel ran, 1 langer holzstab mit 1 kleinen kelle vorne, da muss man lang schöpfen, bis man 1 eimer voll hat. ich fülle erstmal nur die tasse + trinke genüsslich das eiskalte wasser: die 1. etappe ist tatsächlich geschafft. wirklich? so schnell? weil ich einzwei zusammengelegt habe, nicht zum kebnekaise bin + jetzt bin ich schon da. keine frage, jetzt geh ich gleich weiter.

abwarten

in der hütte brau ich mir 1 tee + studiere die karten + busfahrlinien. ich plaudere mit der hüttenwirtin + lerne 2 ältere wander*innen aus schweden kennen, die so frei sind, auf den sonst zu buchenden liegen zu ruhen. die frau ist jetzt krank + kann nicht mehr wandern, will mitm bus nach kvikkjokk fahren, wo ihr mann, der jetzt allein weiterzieht, sie treffen wird. die stugvärd sagt zu ihr: das ist aber nett von dir, dass du ihn allein weitergehen lässt.

wir sind alle raStlos, wann jetzt wirklich der bus gehen soll. 1 einzelwanderer, der leider aufgeben muss wegen schmerzen in seinem fuß (!), checkt die fahrpläne + sagt, es stimme was nicht. die stugvärd meint, es gebe probleme + hier aufm fahrplan, den man ihr gebracht hätte, stehe, dass der bus 1 stunde später um 15 uhr komme. auch mein fahrplan zeigt jetzt beim buchen mit dem 1 handyempfangsbalken 15 uhr an. ich buche das ticket + schicke grüße in die heimat, als wäre ich auf 1 jahrelangen weltreise endlich wieder in die zivilisation gekommen + alle hätten nichts anderes zu tun, als auf meine nachrichten zu warten. am ende der reise, wenn ich zurückfahre, wird die mutter sagen: „dann muss ich mir jetzt keine sorgen mehr machen.“

lite mysigt (etwas gemütlich)

die 2 luxemburger*innen kommen herein + wir begrüßen uns wie alte bekannte – die fehlende erinnerung daran hat jetzt beim schreiben eingesetzt, ist aktiviert worden, oder die vorstellung beim letzten mal hat die geschichte schon geschrieben + ist jetzt erinnerung geworden. ich glaube 1., aber 2. will nicht absprechen, nicht hier + nirgends anders. wir plaudern über die bootsfahrt, die sie geschafft haben, obwohl sie im regen laufen mussten, dass ich tolles wetter hatte + übers wandern an sich.

der ältere schwedische wanderer beginnt, draußen holz zu hacken, damit wirs hier uns mysig (gemütlich) machen können, was 1 der wichtigsten sachen für die schwed*innen ist: licht+wärme im kalten düsteren norden. ich gehe hinaus + lasse mir das holzhacken beibringen. vielmehr: ich wills ausprobieren, er gibt mir die axt + ich schwinge sie übern kopf, merke aber, dass ich gar keine ahnung habe. zuhause gab es nur mal die kleine hacke für die scheite, die zu groß aus der riesensäge herauskamen, wo nur der vater, der metzger, stehen + 1 stamm nachm anderen zermetzeln zerhäckseln durfte. bis wir groß genug waren, dass man auch uns mal hinters mordsinstrument geparkt hat – nicht ohne jedes mal die geschichte vom schreiner p. zu erzählen, der sich den daumen abgesägt hat, wofür er jedoch 1 gute rente bezog, aber überhaupt ist das 1 andere geschichte -, waren wir schon fast ausgezogen.

hauen hacken stechen

ich frage, ob ers mir zeigen könnte, das hacken (att hugga) + er weist mich in die wichtigsten vorschriften ein:

  • das holz mit der maserung so stellen, dass sie parallel zum schlagwinkel läuft
  • die füße auseinander + sicherheitsabstand, dass die axt dazwischen sausen kann, wenn man verfehlt
  • mit schwung + nicht, wenn die axt stecken bleibt, den keil mit hochheben + nochmal schlagen, sondern die axt umdrehen + auf den klotz hauen, dass das holz mit runterrutscht + mit glück auch birst
(c) kaschpar

ich haue zigmal, während die anderen alle bei meinem geschlage+gepumper sich unterhalten wollen. ich haue auf die hölzer ein – oder vielmehr: das stück holz, dass ich bei aller liebe+gewalt nicht gespalten bekomme. ich haue mit immer größerer kraft+wut darauf ein, all die anspannung der letzten tage, der ganzen ängste vor der reise, all die in mir aufgestauten emotionen von der langen tour gestern übern berg, der kurzen strecke heute werfe ich schwungvoll ins zeug + hacke auf das arme holz ein, dass sich trotzig wie ich nicht übergibt. als ich vermutlich längst der nerv des tages bin, hab ichs geschafft, 1 kleines stück abzuschlagen + ich führe förmlich 1 freudentanz auf + zeige der stugvärd das stück, die nicht weiß, warum ich das mache, sie hat die hütte voll holz. aber jede*r, der holz verbraucht, soll auch hacken, + später werde ich meinen kaputten finger 1 stugvärd zeigen, die meint, wenn wir ein wenig holz hacken würden, würde es auch 1 sauna geben. ich werde nicht saunieren an diesem tag + auch nicht hacken mehr.

aj! (aua!)

ich hacke weiter + zwar so oft, bis ich mir knapp an der zehe vorbeihaue. da erst merke ich, dass es auch schlecht ausgehen kann. vielleicht habe ich das schon die ganze zeit gewusst. so wie gestern, als ich den fluss gefurtet habe. es könnte auch schlecht ausgehen + das adrenalin peitscht mich weiter. die stugvärd zeigt mir 1 zweites gerät: 1 eisengestell mit zacken, auf das man 1 holzrund stellt, das man mit dem hammer an der kette dazu durchtreibt. ich haue vielleicht 10 mal drauf rum, dann lege ich die linke hand zur hilfe in die nähe des eisens, ums zu halten, was 1 fehler ist, denn der hammer springt vom holz ab über die hand.

der schock die überraschung ist nicht so groß, dass ich nicht den schmerz gleich spüren würde, aber sagen kann ich nichts. vielleicht hab ich schon 1 träne im auge. ich lege den finger an die lippen + packe die sachen in die hütte zur stugvärd zurück. pinsam (peinlich) hinoderher: es macht keinen sinn, das zu verbergen. kleinlaut gestehe ich: „nu har jag skadat mig“ – jetzt habe ich mir geschadet/weh getan. sie kriegt ganz große augen + ist entsetzt, weil sowas kommt von sowas, + geht mit mir in die stuga, um 1 pflaster zu suchen. jetzt borg ich mir doch 1 ausm großen verbandskasten, anstatt in meiner minihelpbag zu kramen. auch dem wanderer, der mir das hacken beibringen wollte, zeige ich gleich meinen finger, der mittlerweile auf doppelte größe angeschwollen scheint. ob da 1 pflaster reicht?

plaster på såran (wundpflaster)

(c) kaschpar

es sieht so aus, als hätte ich mir nicht direkt draufgehauen, aber mit voller wucht vorbeigeschabt, so dass 1 stück haut abgezogen wurde, das ich versuche, wieder zurückzuschieben. der finger wird dick + blau, aber nur an dieser 1 stelle, gebrochen ist nichts. es pocht+puckert, aber ich kann die hand noch bewegen. als das pflaster draufklebt, siehts aus, als ob kaum was wär. aber ich bin. ich bin am ende der etappe. der wanderer sagt: nur so lernt man was. was hab ich jetzt genau gelernt?

mit den luxemburger*innen bespreche ich, was da passiert ist. aber ich kanns nicht sagen. ich weiß nur: das hängt alles zusammen + natürlich musste das passieren. ich muss jetzt mal pause machen + runterkommen. ich weiß nicht, ob ich mit der wunde weiterwandern kann. nicht der fuß gibt auf, nicht die ausrüstung, alles klappt, aber ich haue mir aufn finger! es sieht nicht so aus, als würde das 1 großes problem werden, aber ich sehe alle schwierigkeiten, die früher herausforderungen waren, vor mir:

  • ist die tetanusimpfung noch intakt?
  • hab ich genügend verbandsmittel dabei?
  • geht der dicke, etwas zu klein gekaufte handschuh über die schwellung?
  • halte ich die hand nach oben oder nach unten, in welche richtung fließts am besten ab?
  • wie wirds mit der wundversorgung im dreck?
  • ist das noch verantwortungsvoll mir selbst gegenüber, wenn ich mir jetzt selbst so geschadet, dass ich weitergehe auf 1 etappe, wo zwar hütten aufm weg, aber keine infrastruktur, wo ich schnell mal aussteigen kann?

wiesu denn bloß?

(c) kaschpar

die aktion hat zumindest 1 geschafft: alle emotionen sind abgebaut. es kommen neue wie scham, weil vermutlich alle mitgekriegt haben, dass ich, die schlaue gescheite vorlaute, mir aufn finger beim holzhackversuch gehauen habe. own your story. ab jetzt werd ich erstmal jedem den finger zeigen: da schau her: so dumm bin ich in wirklichkeit. weil ich übersprungshandlungen der nachdenklichen verarbeitung schwieriger emotionaler + evtl. hormoneller engpässe vorziehe. weil ichs vorziehe, allein am hackstock aufs holz einzudreschen, statt mit den anderen am tisch zu sitzen.

das gute ist: wenn ich theoretisch nach der erfolgreichen etappe hätte sagen können: klar gehe ich den weg, ich kanns ja. kann ich jetzt wieder von vorne anfangen + sagen: mal schauen, wie weit ich komme + halte den finger hoch zum zeichen der verwund+unberechenbarkeit des lebens sowie meiner psyche. als es 14 uhr wird, stellen sich alle draußen in 1 langen reihe auf, um aufn bus zu warten, der nicht kommt. nacheinander geben sie auf + gehen im jetzt schon richtigen regen zurück zu den bänken, kommen teils herein + fragen nachm busfahrplan oder den kosten für übernachtung. 2 deutsche mädels lassen sich die 20 verschiedenen preise für mit bastu/mit dass/ohne/in der stuga etc. aufzählen, bis sie sagen, sie überlegen es sich. es sind die 2, die damals in der raststuga beim frühstück mitm deutschen auf anderen wegen unterwegs draußen ihre sachen gepackt hatten + kurz hereinkamen.

prepared

auch wir in der stuga haben alle unsere sachen gepackt, falls der bus wirklich käme. er kommt aber nicht. um viertel vor 15 uhr gehe ich hinaus, treffe dort die beiden 3-wochen-tour-deutschen, um ihnen meinen finger zu zeigen, aber sie sind im gespräch. wir kommen nur kurz zum plaudern beim einsteigen, auch sie mussten im regen gehen, ich hatte schönes wetter gestern + heute 1 kaputten finger. beim schreiben erst wird mir klar, dass das auch der grund gewesen sein könnte, warum ich später in saltaluokta so überfordert gewesen sein könnte, mitm mädchen am empfang zu sprechen. ich habe sie nicht verstanden + wollte aber auf schwedisch reden. ich habe extra die lange schlange, die ausm boot stieg, in das wir – aber der reihe nach.

transfair

die busfahrt dauert nur so lange, weil wir 1/2 stunde pause an 1 mall machen. überall verteilt sind hier auf den parkplätzen kleine einkaufsparadiese. obwohl ich nie in amerika/kanada war, stelle ich mir so die raststätten in der prärie vor. neben dem restaurant gibts auch 1 shop mit allem, was man kaufen kann. obwohls in saltaluokta auch 1 shop geben würde, halten wir hier 1 ewigkeit, aber auch die busfahrer*innen haben so ihre pause. als wir in kebnats ankommen, wartet das boot, von dem wir dachten, es wäre schon abgefahren. die änderung des busfahrplanes beruhte allerdings auf der änderung des zugfahrplanes + der bootsfahrplan passt sich ebenso an. es ist wie in 2014: man muss keine angst haben, wo liegenzubleiben. hier wird man mitgenommen.

transfähr

(c) kaschpar

auf der überfahrt sitze ich etwas deppert herum mit meinem finger. ich stehe vermutlich noch unter schock, der in wellen wie die stürmische see aufbraust+abflacht. gerade bin ich wieder etwas durcheinander + jede begegnung bereitet mir schwierigkeiten: das einsteigen in den bus, das einreihen in der schlange, das platzsuchen im bus, das aussteigen bei der haltestelle, das ankommen beim boot, all die leute, die hier schon warten, das einreihen in die nächste schlange, das vorgelassen werden von der polnischen gruppe, die aufpasst, dass sie alle zusammen in 1 boot fahren, das ticketkaufen + schließlich: die kommunikation mit der empfangsdame, was ich selbst einst 1/2 jahr in der aidshilfe war, in saltaluokta.

als wir ankommen bildet sich die nächste schlange an der kasse der stuga + ich laufe draußen ziellos herum, werfe den abfall weg, den man von hütte zu hütte mitnimmt, wenns keine dose ist, + gehe dann, als kaum mehr jemand da ist, hinein. irgendwas rauscht mir durchs hirn, die schnellen worte verstehe ich nicht. ich habe das zimmer online gebucht + will eigentlich nur wissen, wos ist. irgendwas mit „chü“ = 7 (sju) – meine zahl, aber ich fühle mich sjuk („chük“) = krank. ich frage, ob sie langsamer sprechen kann. sie lacht verächtlich + verstummt. da erbarmt sich der ticketverkäufer vom boot, der hintern tresen gekommen ist + zeigt mir langsam mit 1 karte das haus, das zimmer, die nummer.

ich bedanke mich bei ihm mitm dankesgruß + würdige sie keines blickes. dann gehe ich raus + stelle fest, ich habe keinen schlüssel. das schlimmste ist nicht, wenn … sondern. ich muss nochmal zurück + gehe gleich auf ihn zu, der zum glück noch da ist. „det finns inga nycklar.“ es gibt keine schlüssel. ach so. ich finde das zimmer, packe herum, ich suche die sauna, gehe nicht hinein, ich finde die küche, koche was auf, ich finde den trockenraum, wasche was aus. ich laufe wie ferngesteuert durch die räume + gehe nicht, wie ich zu den deutschen gesagt, zum gemeinsamen abendessen, ich höre nur in der lobby der rede der köchin zu, die das spezialmenue erklärt, aber ich kann mich an nichts erinnern. ich kaufe bei ihr, der frau von vorhin, chips+bier+snacks für die nächsten etappen den abend. dann ziehe ich mich zurück.

jetzt ist wirklich was passiert

es ist noch so 1 langer tag, 1 langer nachmittag + abend. ich wollte die pause genießen. ausruhen. jetzt weiß ich gar nicht, ob ich weiter kann. oder nein. stimmt nicht: ich weiß, dass ich weitergehe, aber ich muss, was passiert ist, noch sacken lassen. ich muss noch genau herausfinden, was da geschehen ist. und warum.

(c) kaschpar

ich denke an g. + die tour in 2014, die hier begann – und was es damit zu tun hat. ab+zu denke ich an den vater + den satz, den ich selbst, glaube ich, nie von ihm gehört habe: „wenn dir was passiert, erschlag ich dich!“ das soll er zu meiner älteren schwester gesagt haben, vermutlich zu der zeit, als sie noch das einzige kind war, das 1.+einzige mehr als 8 jahre lang. als sie mitm fahrrad stürzte + sich das gesicht aufschlug, versteckten sie meine mutter+großmutter sie vorm vater. ich erinnere mich nur an den satz: „schau dassd afmachst, i derschlog de!“, den der vater vor der verschlossenen klotür schrie, wo ich mich zum schutz eingesperrt.

ich habe den wunsch des gemochtwerdens so tief in mir vergraben, dass er an den unpassendsten stellen auf verschlagene weise hervorkommt. wenn der polnische junge nicht lächelt, wenn ich ihn überhole, verstimmt mich das. wenn die schwed*innen nicht mit mir schwedisch reden, ärgert mich das. alle unangenehmen gefühle – nur nicht die des verlusts + des schmerzes – können aus heiterem himmel über mir hereinbrechen. belanglosigkeiten können mich verunsichern bis aufwühlen + lähmen. weil in 1 welt der seltenen kontakte jeder plötzlich einzelne 1 solche ungeahnte dimension bekommt, die ihm eigentlich nicht ansteht.

vielleicht hab ich gelernt, dass ich bei jedem aggressiven akt dazu neige, ihn gegen mich selbst zu richten, + dass die hackaktion ähnlich 1 essstörungsrückanfalls war.

von der ganzen tagesetappe habe ich bisher nur 1 einziges bild von der überfahrt gepostet. lämna stressen hemma. lass den stress daheim.

ich muss noch so viel lernen.