oranienburg – liebenwalde
oranienburg – liebenwalde, 27 km
2023/05
mit der havel, havelaltarmen, schnelle havel, malzer kanal + schleuse, e10, rundwanderweg ruppiner land, havelauen, oder-havel-kanal, von holländischen arbeitskräften urbar gemachtes gelände neben der siedlung neuholland, liebenwalde, das 1 umgehungsstraße bräuchte
was bleibt:
- die zigmalige umplanung des weges seit 2 jahren bis zur entscheidung, in liebenwalde in den bus zu steigen, anstatt bis zum bahnhof zu laufen, + die wegveränderung seitdem: nun kann man auch die hauptstraße meiden
- der busfahrer, der an der haltestelle wartet, wo er zu früh dran ist, weil er weiß, wer noch kommt, während wir 2x zwischen den stationen rennen, bis uns beim 1. mal auffällt: hätte auch so gereicht + beim 2. mal: reicht locker + die lektüre von fontane, dessen latein man auch ohne übersetzung versteht
"Und als sie nun becherten und der Kurfürst ihn fragte: »was er denn wohl getan haben würde, wenn ihm die geplante Gefangennehmung des Bischofs geglückt wäre«, soll er im Übermute geantwortet haben: »Si pervenisset in meam potestatem testiculos episcopales ipse amputassem« - eine Antwort, die, nach Sitte der Zeit, unter allgemeinem Ergötzen, und nicht zum wenigsten des Kurfürsten selbst, entgegengenommen wurde." Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg IV. Spreeland Zwischen Spreewald und wendischer Spree Eine Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow. Blossin
- der waggon der sbahn nach oranienburg, den wir nehmen, der überheizt + die verspätung von 2-3 min., was den abstand zum sonnenaufgang auf 11 min. schrumpft
- der sonnenaufgang, den wir zwischen oranienburg+sachsenhausen vertun, weil wir uns eingeklemmt zwischen „grüner“ lärmschutzwand + reihenhauseigentum verfransen
- das pfeifen der vögel, das wir ohne kopfhörer vernehmen können, weil frühling/frühsommer + wir gehen statt laufen, weil die ferse hinkt + wir im rucksack keine wechselkleidung, sondern tee + süßigkeiten + die frage, was neben dem gurren der taube + dem tsitsibee der meise da noch so piept
- der kindheit begriffe: der vogel tsitisbee + die pusteblume + die neuen wie die reihenhausmelancholie + die frage, ob jemand auch so abgestoßen von unserer siedlung sein könnte wie wir beim anblick der grauen in reih+glied eingefassten festen betonlegowürfel + der geruch von neu
- die verschiedenen farben der fliederbüsche + die 2 blütenköpfe im revers, die nach 8-9 std. trockenzeit die tausend köpfe hängen lassen + die seltsamen längsrillen in den fingernägeln, die uns erst aufm foto auffallen + anscheinend zeichen der kranken leber sind (oder doch schon das alter?)
- die wimper, die ich unter der kontaktlinse hervorlocke + die trotz 3x maligen wunsches + pustens keine neue aufgabe/keinen neuen sinn in erfüllung gehen lassen will, aber beim wort geld sofort von der kuppe fliegt + das tote reh ohne kopf am rande der böschung
- die frau mit dem hund, der 1x kurz leise aufbellt, als ich auf seiner seite der straße entgegenkomme, die ihn ebenso leise anruft „spinnst du?!“, hinsetzen lässt + füttert
- die sprachnachrichten an die freundin, die wir zigmal unterbrechen, weil menschen entgegenkommen oder fotos gemacht werden müssen + das menschenleere flussbett
- die verwitterten krummen holzäste, die aus dem boden ragen wie gesenkte schwanenhälse + die schwanenfamilie im kanal, langsam von mir abstand schwimmend
- der arbeiter auf dem fahrrad, der mir entgegenkommt + zunickt: der respekt der frühaufsteher*innen füreinander + die arbeiter im geländewagen, die ich vorbeilasse, die grüßen, die ich später wiedertreffe am kanal: gar keine kuriosen gestalten frühmorgens weit draußen, sondern sympathische menschen – ach!?!
- die spuren des biber an den abgenagten, mit draht umschlossenen bäumen + die zerdrückten breitgelastschten futterwege im hohen gras zwischen fluss+kanal, wo der blütenstaub an der oberfläche im sonnenschein driftet
- die zerkratzte, rutschende sonnenbrille, die wir zu grabe oder zum verlust hintragen in der angst, die neue zu verlieren oder mit der rennradbrille zu dumm auszusehen, was bei 3 schokoladenpickeln auf der nase, 1 am kinn + dem herpes an der lippe jetzt nicht wirklich ins gesichtgewicht fallen würde
- die wehre, die, wie wir später lesen, zurückge- oder umbaut werden sollen bei der
renaturierungrevitalisierung der schnellen havel zwischen zehdenick+oranienburg, um die fließgeschwindigkeit, den wasserstand + den fischdurchschwumm zu erhöhen - die vielen mücken, die nach der monatelangen kälte zu millionen aus den verstecken gesprungen + durstig wie nie ums überleben stechen+saugen + das myggmedel daheim => das mückenterrortorium: die vorahnung, wies sein wird in schweden (wie können wir nur gedacht haben, wir würden vielleicht glück haben, wenn der klimawandel im sekundentakt 20 grad sprünge hinlegt + alle: bäume, blüten, fliegen, mücken, schmetterlinge jetzt im schnelldurchlauf ihren frühling durchleben) + der podcast zur frage, ob der mückensommer diesmal besonders schlimm werde, den wir gar nicht hören können
- die blumenfelder, der imkerwohnwagen, der 1. schmetterling + überhaupt so wenige schmetterlinge wie nie + der podcast zu invasiven insekten + die
segelkleinmotorflugzeuge richtung norden, vermutlich zum flugplatz gransee - die pfahlbauten im wasser, von denen wir nicht herauskriegen, wozu sie da + die badestelle, die wir nicht benutzen, weils zu kühl
- das komische gefühl von „keine kühe“ bis wir am ende die herde sehen + die kühe auf der weide, die gar nicht glücklich aussehen + die milch, der käse, der joghurt, den wir später kaufen, ohne dran zu denken: wo ist die vegane zeit geblieben? (das gute merino, das wärmt im winter + kühlt im sommer: ich bin das schaf im pelz)
- das glück, dass die weidenzäune abghängt, weil die herde von oben erst sich heruntergrasen muss + so alle havelstücke erreichbar sind bis auf das „aus hundert Hufen ebenfalls wertlos daliegendem Havelbruchland bei Liebenwalde“, das neuholland im 17. jh. entwässert, + die frage, ob die fontane-lektüre wirklich das
richtigewichtige gerade - das herauskramen des kompasses + feststellen, dass wir alles vergessen, was wir von youtube gelernt, das hirnlose hantieren mit spiegel+nadel + anpeilen des zieles quer übers feld, was sich als irrtum herausstellt, so dass wir nach dem kurzweiligen querfeldein an zäunen entlang zum weg zurückschleichen, wo wir schließlich rennen, weil wir jetzt wieder spät dran (was wir wussten, dass es so wird, als wir den kompass zur hand nahmen + es trotzdem taten)
- die 3 tropfen regen, die fallen, während wir in liebenwalde einlaufen, um den bus zu erreichen + die tonnenschweren lastwagen, die sich die hauptstraße durch liebenwalde durchreihen + die erinnerung ans agGrobil, das von der trocknung kommend durch die schmalen dorfstraßen wummerte, so dass die meterdicken mauern des jahrhundertealten elternhauses zitterten + das nachdenken über fast 1000-jährige dörfer, die jetzt 1 umgehungsstraße brauchen
- die frage an d. busfahrer*in, ob wir das ticket scannen sollen, + die antwort: „das geht glaub ich nicht“ + der geruch von frisch geduschten gewaschenen gedeosprayten menschen, die in die klimatisierte kapsel steigen + einzelfahrscheine lösen: ja habt ihr alle kein deutschlandticket?
- der geruch von nassen pflastersteinen beim aussteigen in wittenau, wo der gefallene regen schon wieder verdampft + übervolle mülleimer, auf den 1 kind 1 bonbonpapier wirft, das runterfällt + silberpink glitzert (die beiden menschen im drogeriemarkt ein paar tage später, die getrennt voneinander etwas umwerfen + es wieder aufheben)
- das bild des hirschen am ubahnhof, das entweder neu oder uns noch nie ins auge gefallen wie heute wie neulich die riesige eiche im grünstreifen aufm weg zur packstation oder die gefällte im park, wo die wege gerade neu gerichtet werden: wo war ich all die jahre?
- die frage nach der abnahme der haltbarkeit des handyakkus in 1 jahr + wie wir ohne 3 ersatzakkus da die schwedische landschaft zur genüge fotografieren wollen + die erinnerung an die kamera, die wir beim 1. mal liegenlassen, nachtelefoniert übers notfallgerät, + wie sie uns mitgebracht wurde bzw. die hütte vor uns erreichte durch 1 schnelleren läufer: keine 20 bilder gemacht + war auch schön
- die bevorstehende pause = schonzeit – wie lange sie wohl hält?