st. olavsleden 2022 (tvärtom) 27/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 27: matfors – selånger/sundsvall (16.9., 16,7 + 9 km)

der letzte tag

schreibe im bett gemütlich mit mikrowellentee, weil ich den wasserkocher nicht zum laufen bringe, was solls. nur knapp 17 km nach selånger, dem ziel der reise, + ca. 8 bis sundsvall, ins hotel, an die küste. bin sehr müde + nehme mir zeit fürs schreiben, weil ich vielleicht ab selånger den bus nehme, warum nicht. ich will ja nur ins pilgerzentrum. dann ist schluss mit dem weg. alles andere ist kür. wenn ich später 2 frauen auf dem weg treffen werde, werde ich sie (mich) fragen, ob ich bis sundsvall gehen soll – es ist ein bisschen wie mit dem stück hauptstraße, das ich mit dem transport hätte überspringen können: was ist dein ziel? im vergleich mit der gesamtstrecke, machen 8 km mehr oder weniger nichts aus – und ich werde später erst feststellen, dass das als begründung für beide entscheidungen gelten könnte: die strecke nicht mehr zu gehen (es reicht) oder sie dranzuhängen (spielt keine rolle mehr). 

es soll den ganzen tag regnen, wenn auch nur leicht. und weil mein equipment noch nicht komplett durchgetrocknet ist, werde ich ein bisschen nach dem gestrigen tag auf der hut sein + vor dem regen flüchten. so weit so schnell wie möglich. als ich nochmal rausgehe hinüber in die hygieneräume im keller des haupthauses, schüttet es schon. 

überall im zimmer riecht es nach janssons frestelse, das ich z.t. weggeworfen habe. die beiden letzten magentabletten dafür. es ist schön warm. das lättöl bzw. den svagdricka habe ich im kühlschrank gestern vergessen. ich stelle das leichte bier, das im supermarkt zu kaufen ist, auf den tisch, schreibe wie immer ein paar zeilen ins gästebuch, jetzt schon ganz unverbunden, und auf 1 zettel daneben das mit dem wasserkocher. 

der idealweg geht nicht durch pfützen 

ich nehme mir nichts mehr vor, ich verspreche mir nichts (mehr), ich weiß ja alles. ich setze mich nicht unter druck. schauen was geht, schauen, was ich brauche. nur kein absturz. alles andere ist egal. 

natürlich funktionierts nicht so. natürlich erhoffe ich mir jemanden im pilgerzentrum, der bemerkt, dass ich angekommen bin. plötzlich spielt es wieder 1 rolle, so wie die leute hier losgehen + ihnen social media-wünsche auf den weg gegeben werden, so wünsche ich mir 1 gruß zur ankunft. ich rechne nicht damit, was gut ist, weil niemand mich empfangen wird. man drängt sich auch nicht auf. (ich.) man fühlts aber. (ich.) ich war die ganze zeit allein unterwegs, am ende komme ich allein an. jag går ensam. jag går för mig.

nicht ganz. ich habe den notfallkontakt dabei, die familie, bernt, doris, die reha, die arbeit, die erinnerungen. die essstörung, die ich am ende in die see kippen werde. good bye.

rot: bauernhaus. gelb: herrenhaus. grau: nebelhaus. blau: anderhaus.

ich hebe mir fürs scandic die frische wäsche auf, die mit der hot+cold beinpaste im beutel duftet. es liegt keine waschmaschine mehr aufm weg, ich finde auch keinen salon. naja, so viel hab ich ja nicht mehr vor, werd ich schon durchkommen mit der waschbeckenwäsche. vor dem dehnen nochmal hinlegen. 

ich komme spät los, aber es regnet gerade kaum. letzter ungeplanter abstecher, als ob ich doch nicht motiviert wäre, aufzuhören. biege laut naturkartan von meinem gpx-weg ab + komme auf 1 aussichtspunkt mit wasserzapfhahn + laufe wieder hinunter. die straßen entlang bin ich im abschiedsmodus. singe mir das falling from the roof again lied. 

torkarlsberget
oben auf dem berg gibt es 1 runsten/runenstein mit 1 inschrift aus dem jahre 1000 n.chr. Ögnar(?) reste denna sten efter Salve och efer Björn, sina söner. Ögnar (=) errichtete den Stein nach seinen Söhnen Salve+Björn. der stein kommt aus sköle, wo er vom 1. reichsantiquar Johannes Beureus im jahr 1600 abgezeichnet wurde. der stein war damals zersprungen, aber vollständig bewahrt. in den folgenden jahrhunderten wurde er von ort zu ort gebracht. 1x lag er als treppenstein mit der beschrifteten seite nach oben. bevor er 1942 zum heimatverein kam, lag er in 9 teile zerschlagen in 1 hof. unter dieser unsanften behandlung verschwanden teile des steines + teile der inschrift gingen verloren. der name augnarr/ögnar ist nicht bekannt, daher ist die übersetzung ins moderne schwedisch unsicher. 1 teil der inschrift wurde ergänzt aus alten aufzeichnungen. 

jäger grüßen mich

bei 1 kurzen rast checke ich doch nochmal den regenradar – die wolken kommen immer näher. + ich renne los. nicht wirklich im laufschritt, aber gestochen scharf. ich sehe mich so schnell gehen wie das letzte mal zu den fiolisten, wo ich danach die hüfte hatte. die belastung machts. vor dem regen wegrennen: wirklich? 2 jäger, die im auto sitzen, winken mir. ich habe von allen, die mir gewunken haben, auch 3 monate später noch das bild im kopf – von diesen fehlt jedoch jede spur. ich muss meiner aufzeichnung glauben. 

auf den bächen tanzen jetzt schaumkronen. was weiter im norden die seltenheit: hier weiter im süden scheinen die bäche nicht mehr so klar. je mehr menschen in der gegend, desto mehr liegt herum/fällt hinein. auf 1 abschnitt, wo ich mir mit 1 müllfahrzeug, das im kreis fährt, 1 rennen liefere, liegen lauter verrostete landmaschinenteile neben dem weg im gras im schutz der büsche. 

da laufen die beiden frauen vor mir, die für mich zur seite gehen, mich aber kurz ansprechen, als ich sie anlächle. als sie hören, dass ich aus trondheim komme, heben sie die hände: hej! da ist es schon: mein begrüßungskommando! sie beglückwünschen mich + ich freue mich: gleich bin ich da. das kleine blaue loch im himmel, das die letzten tage immer wieder mal aufblitzte bis aufriss, zeigt sich heute, wenn auch nur kurz, als große blaue runde scheibe. es ist wie 1 fenster in die nächste zukunft. 

die letzte stunde wird die längste wie beim marathon. wann beginne ich zu weinen? es ist der 5. marathon: die hüfte macht nur noch aufgrund der vielen schmerzmittel mit; wir haben uns angemeldet + 1 los erhalten, also ziehen wirs durch; die erwarteten erwartbaren gefühle fühlen sich beim zieleinlauf wie gespielt an. ich sehe die kirche + bekomme nasse augen, aber 1 radfahrerin fährt mich fast um. da ists vorbei + war auch nicht wirklich. die erschöpfung wirds später schon richten. 

die letzten 5-10 km habe ich angst überfahren zu werden: kurz vorm ziel. es ist vielleicht keine gefahr, aber der verkehr ist hoch, ich laufe auf der falschen seite, die saison ist vorbei. 

es ist zeit, mit den tagträumen aufzuhören. das ganze gedrömme … jag glömde vad jag drömde. während der reha aufgehört zu träumen, aufgehört mit den aufzeichnungen der träume. auch die tagträume müssen 1 ende nehmen, wenn man sich der realität stellen will, dem, was ist. es stimmt nicht, dass wir keine träume haben im leben. wir haben nur nicht die richtigen, die uns in 1 zukunft führen. es wäre an der zeit. 

ich setze mich in die kirche

wo jemand orgel spielt. 1 frau, 1 mann + später die pfarrerin sagen hej + unterhalten sich. es sieht aus wie 1 vorbereitung auf 1 gudtjänst. nach 10 min. stehe ich auf + gehe raus. draußen steht 1 schild: es gibt 1 begräbnis. 

beim pilgerzentrum stehen die olavsschilder + ich mache selfies, bin aber nicht zufrieden, ich brauche 1 motiv. im center oben wäre st. olav gestanden als figur, abers fällt mir zu spät ein. auf dem richtungsanzeiger wird trondheim mit 567,5 km entfernung angegeben. ich bin schon fas 650 km gelaufen, wie habe ich 100 km mehr geschafft? ich müsste jeden tag 3-4 km mehr gelaufen sein – klingt gar nicht so viel. muss 3x nachrechnen, obs auch stimmt. stimmt. 

große gruppen sitzen unten beim essen, ich kaufe mir 1 fika + setze mich in die diele. ich gehöre schon nicht mehr dazu. ich würde gerne jemandem erzählen, dass ich gerade aus trondheim komme (ja wahnsinn!), aber da ist niemand. 2 deutschen ergebe ich mich nicht zu erkennen, sie erklärt ihm, was sie gerade über die handgeschnitzten wanderstöcke 1 senioren im ort erfahren hat. ob man die kostenlos mitnhemen könne, fragt er. nein!?!

auch im souveniershop ist niemand, der 1 bild von mir machen + auf facebook stellen will. wieso auch. alle sind beim mittagessen. ich denke an andrea + ihre erzählungen von stikelstad, vom kommerz rund um das pilgern, aber dem desinteresse für die pilger*innen. außerdem gehe ich falschrum + wenn, hätte ich das organisieren müssen. selfmadepresentation. man muss sich um das eigene marketing bemühen. man kriegt nur ausbezahlt, was man vorher eingebracht hat. deshalb steige ich aus dem literaturbetrieb aus: ich habe keine lust mehr auf die gemarkte. 

vor dem zentrum esse ich meinen letzten snack, dann gehe ich weiter nach sundsvall, es ist keine frage mehr. es geht im naturschutzgebiet an vogelaussichtspunkten vorbei + bald ist man, wenn auch im park, doch in der stadt, + es gibt keine büsche mehr, in die man sich schlagen kann. im coop müsste man nach dem schlüssel für die toiletten fragen – na, dann halten wir das durch. der mann, der vorm supermarkt sitzt mit 1 sammelbecher vor sich, grüßt mich wie 1 alte bekannte. 

im hotel verstehe ich irgendwas nicht, weil ich nur einchecken + aufs klo will. ich muss erst mal ankommen, dann kann ich ja nochmal fragen. mein zimmer 1 kleine abstellkammer. in der toilette die kratzspuren 1 eingesperrten hundes. whatever.

ich mache gleich noch die stadttour, obwohl mir schlecht ist, der magen hat aufgehört zu arbeiten. wir sind da. im hafen zahlreiche selfie-motive: das stadtwappen, 1 drachen, in verschiedenen ausführungen. 1 mann als katze verkleidet + 1 katze mit buckel davor. 1 mädchen, das 1 sternenvorhang aufzieht. 1 hund. die brücke. bottenhafet, der bottische meerbusen. ich bin da. 

ich kaufe im supermarkt salat am buffet + komme am torget, dem marktplatz vorbei, wo 1 internationales foodfestival stattfindet. ich tröste mich damit, dass ich ja schwedisch essen mag + nichts spezielles brauche zur feier der ankunft. da sein ist genug.

ich esse + schreibe die sms an bernt, sende das foto nach vielen fehlversuchen per mail. nachrichten an die rehagruppe, natascha, familie. 

ich bin so erschöpft, dass ich um 8 uhr einschlafe, zum 1. mal werde ich nachts nur kurz wach, ich schlafe 10 stunden. 

ich bin angekommen. ich habs geschafft.
tack!
that’s it that.