st. olavsleden 2022 (tvärtom) 0/27 (fortsetzung)
st. olavsleden
trondheim – sundsvall, 650 km
tag 0+1: malmö – trondheim (20.8.-21.8.)
ankunft in malmö mit den tränen die im halse hängen
ich erinner mich an dich, stadt. von weitem so grau – + plötzlich 1 schräger kasten haus auf 1 haus: da probieren wir architektonisch mal etwas aus.
im café das 1. mal schwedisch. ja. irgendwas mit 50%. något mer? nej. keine ahnung, um was es ging. kanelbulle. der café 49 kronen. jetzt nur nicht aufs geld schauen, das haben wir uns derspart.
jag betalar med kort. det finns ingen kontant.
die erinnerung an den 1. urlaub mit den 3 schwedischbrocken im hotel in göteborg + die kreditkartennummer vergessen. 2x falsch eintippen + keine reserve/ersatzkarte dabei. I am so sorry. wenn alles gut ausgeht, aber mans nicht glauben kann. man ist auch gar nicht auf den schlechten ausgang gefasst.
nach dem essen noch satt werden. mätt. von mat. jag lagar mat. ich repariere bereite das essen zu. jag klarar det. jag fixar det. vi hinner det. im schwedischen gibt es kein großes schaffenswort. jag orkar det. man muss ganz genau sagen, ob man zeitlich, physisch, psychisch, technisch, überhaupt meint, was (das) zu schaffen.
code för toalett hitta du på kvitto. (behöver du kvitto? nej!)
wie lange kann ich hier sitzen mit leerem teller? wie verbringe ich die 8 std. aufenthalt mit dem riesenrucksack aufm rücken, den ich nicht wegsperren mag? sie können mich ja rausräumen.
vor dem haus räumt jemand mit 1 gabelstapler die pflanzentröge vom fest, das wir um 1 tag verpasst haben (12.-19.8.), ab.
die schwed*innen in kurzen klamotten – 23 grad, so 1 hitze!
das nächste mal frage ich nach, wenn ich was nicht verstehe. lieber auf englisch, als nicht wissen, um was es geht. sich nur keine blöße geben. was soll der scheiß?
niemand trägt mundskydd. wir haben 3 als reserve dabei. auf der heimfahrt in 4 wochen wird uns 1 mann im zug fragen, ob er uns 1 abkaufen kann (wir tragen als einzige ab der grenze die maske – aber wieso erst ab der grenze? wie komisch sind wir denn?)
im park üben wir meditation + tun anschließend das, was wir am besten können: liegen + schlummern. „daddy!“ – „shh – there’s someone sleeping“
am zweitbesten können wir einkehren, weil wir aus der wirtschaft kommen, nur gast können wir nicht sein. auskehren geht auch gut. beim drittcafé beobachten wir 1 bröllopsällskap in eierschalfarbigen leinenkleidern. braut+bräutigam sind sehr jung + überglücklich. alle tragen blondes lockiges haar. es ist 1 klischee.
trinkwasser + toiletten sind in schweden gratis. man zahlt alles mit dem kaffee schon mit.
skaldjur eller sällskapsdjur
in den nachrichten wird etwas über die schießerei gestern im einkaufszentrum hier um die ecke + den 15-jährigen verdächtigen berichtet. wenn wir abreisen, werden die schwedendemokraten, die sich dem kamp mot kriminalitet verschrieben haben, die zweitstärkste partei im land werden. wir werden fast 4 wochen im land gewesen sein + mit niemandem über politik gesprochen haben, oder über energiekrise oder klimatet. nur über den weg. das wetter. och varifrån kommer du? so schlecht, wie uns nach dieser wahl geworden sein wird, wird uns erst monate später bei den wahlplakaten der afd in brandenburg „unser land zuerst“. jag är så trött.
die letzten stunden verbringen wir einfach im bahnhof, wo wifi + elut überall + beobachten die menschen:
- der mann auf der reinigungsmaschine, der 3x im bogen um uns herumfährt, obwohl wir stets bei seinem näherkommen den platz wechseln. es ist verhext.
- der junge, der seine telefonierende freundin auf die schulter küsst, nachdem sie ihm geholfen hat, die brille aufzusetzen, die er zuvor mit dem koffer in der hand putzen musste
- der alte weiße mann, der sich von 1 jungen man of colour im gehen den triggerpunkt im schulterbereich massieren lässt + unzufrieden auf die richtige stelle neben dem aufgesetzten daumen zeigt
alles hat haken: es gibt kein wlan ohne die eingabe der telefonnummer für die sms-verifizierung. es gibt kein wechselgeld ohne ausweis. in gävle, wo wir auf der rückfahrt umsteigen müssen für unsere letzen tage in ockelbo, von dem wir vorher nicht wussten, dass es das gibt, werden wir ohne kreditkarte nicht auf die toilette gehen können, was wir müssen, weil wir den ersatzbus verpasst haben werden, der nicht von der bushaltestelle, sondern von der haltestelle für den ersättningstrafik abfährt, wie uns 1 frau, die wir zu spät fragen, erklärt. wir halten 1 mädchen die tür zur toilette offen + es lächelt.
erneut steigen wir in den snälltåg für die weiterfahrt richtung trondheim. über die grenze fährt diesmal kein zug wegen bauarbeiten, sondern 1 ersatzbus. das ist unser leben. ständiger ersatz.
das muss man sich leisten können. gerade noch nordische kronen geholt + schwedische abgehoben. das haben wir uns erspart. mit 1 dicken geldbündel unterm arsch sitzts sichs gemütlich+sicher. med säkerhet.
die erinnerung an den vater, der das dicke bündel in der form seines flachen hinters krumm gesessen hat. es saß so fest + tief, dass es sich kaum aus seinen hosentaschen herausziehen ließ. wenn er 1 schein entnehmen musste, blätterte er mit angelecktem finger durch den packen + wand sich weinerlich nickte großzügig, seinen widerwillen unterdrückend, die reibung der scheine ausnutzend: schau her, das will nicht raus. aber wie gern er den inhalt zählte+prüfte + befriedigt zufrieden schmunzelte, wenn sich nach anhäufung aller papiernen werte die börse kaum mehr zurück in die passende hinterNhosentaschenform biegen ließ – so wie ich lächelte + mich freute, wenn ich die münzen aus der geldkassette, wo alles durcheinander mit allem tabakdreck + papierfitzelchen + klebekrümel durcheinandergeworfen lag, auf den 1. wirtshaustisch kippte, alles säuberte, den dreck zu boden oder in den abfalleimer warf, je nach größe des häufchens, + die münzen schön sortiert zurück in die kassette legte. + es fehlte nicht 1 markstück hinterher oder nicht viel mehr. so wie ich mich freute, wenn die knoten sich aus dem knäuel lösten. wie ich mich freute, wenn die legosteine aufgebraucht an ihrer stelle im gesamtsystem saßen. wie ich mich freute, wenn der ordner der lieder alle lieder beherbergte, die ich gehört. wie ich mich freute, wenn am ende alle bleistiftstriche so saßen, dass es 1 bild ergab.
für 50 kronen das 1. klasse abteil gekauft. es sind nur wenige sitze + die frau mit dem hund muss sich wieder woanders hinsetzen, nachdem sie kontrolliert wurde. die schaffnerin wird noch ärgerlicher, als sie es ihr zum 2. mal sagen muss.
neben uns der sitz bleibt frei. so viele leute fahren hier nicht mit. weil ich meine steckdose wieder nicht finde oder weil es sie wirklich nicht gibt, muss ich unter den füßen/hinter dem rücken der fahrgäste am fenster rumkrabbeln. är det bra med dig?
in der nacht wache ich erschreckt auf + stelle fest: ich sitze da noch immer. es ist mehr platz als in der 2. klasse, aber es ist immer noch 1 sitzabteil. die füße sind mittlerweile angeschwollen. plötzlich sitzt 1 kleine zierliche frau neben mir: doch ausgebucht der zug. ihr sohn schläft auf 1 anderen sessel. sie sieht so verkrümmt aus in ihrer lage, dass ich ihr mein kissen anbiete. kurz darauf gibt sies mir wieder zurück. das ist höflichkeit.
blanket. aber was heißt kissen? cussion. percussion? cushion. kudde + puta. wie puta madre.
in östersjön weckt sie mich, weil sie denkt, dass ich aussteigen muss wie sie – ich verstehe erst nicht, dann merke ich: östersjön (öösterschöön) – nein, muss ich nicht, ich schüttele den kopf. als sie weg ist, stelle ich fest: der ort heißt östersund (österschund) + liegt auf meiner strecke, die ich zurückkommen werde. sie lässt mir ihr 0,5 liter paket wasser da: „it’s new“.
jetzt nur noch 3 stunden
1 reise ist 1 reise. die temperatur ist während der fahrt so tief gesunken, dass überall nebel herrscht. dimma. das ist witzig, weil die meisten menschen in den urlaub dahin fahren, wo es warm ist. wir fliehen aus der hitze deutschlands in den kalten norden. ohne zu wissen, dass der klimasommer da schon angekommen ist + uns 1 warmen, sonnigen, trockenen frühherbst beschert. wir beschweren uns nicht, wir gehen ja jeden tag von früh bis spät zu fuß.
in enafors steigen die fast letzten aus. wo gehen all die wander*innen mit den schweren großen rucksäcken hin, wenn nicht zum olafsleden? jämtlandstriangeln? in wenigen tagen werde ich 1 frau treffen, die am wochenende dort war, aber nicht sagen könnte, dass es was besonderes gab. glaub ich nicht!
als die meisten gäste ausgestiegen sind, fährt der zug immer noch weiter. jetzt sind wir nur noch zu zweit. wir alleinreisenden frauen im 1. klasse abteil. wir haben d.selbe hose/frisur/alter. nur meine haare sind schon grau silbern grau. sie erinnert mich an die tote sophie. wir strecken uns auf je 3 sitzen aus + werfen die decken + kissen um uns herum, bauen uns burgen. es kontrolliert schon lange niemand mehr.
die aufregung hat noch 2 std. zeit, um zu sehen, ob sie den bus kriegt. wenn wir ihn finden. in åre krieg ich schiss klopft sie das erste mal. wir stellen erst hinterher fest, dass die gesamte pilgerreise entlang der bahnstrecke + der e10 gehen wird, eigentlich sind wir den weg gerade hingefahren, den wir nachher zurücklaufen. wären wir ins fjäll, wär das uns nicht passiert, aber wir wollten ja ein bisschen sicherer + leichter unterwegs sein. nicht so viel mit dem kompass, mit dem wir uns nicht auskennen, hantieren müssen, nicht das zelt schleppen + auf dem dreckigen, kalten boden schlafen. nicht den gaskocher, mit dem wir wasser nur wärmen, aber nicht brodeln (können), jeden tag die fertignudeln einweichen. aber sehr viel anders wird es doch nicht sein. weil wir in stugas schlafen, wo manchmal kein strom, keine heizung, kein fließend wasser (außer im scandic natürlich), weil wir dauernd nach der nächsten unterkunft recherchieren, weil wir ständig nur fertigsuppe essen, bis wir sie satt haben + plötzlich <hypocritical pescotarier*> lauter räkorsmörgåsar essen.
irgendwo schnarcht jemand. die frau gegenüber ganz sicher in ihrem sprachenverständnis: „min svenska är inte så bra„, als sie nachts irgendwas gefragt wird, das wir auch nicht verstehen, weil wir entweder schlafen oder nicht zuhören oder es uns auch gar nichts angeht. die frau: ganz locker. ich: jaha! (auf 1 frage, die ich nicht verstehe. så klart!)
im restaurant hole ich das vorbestellte, enttäuschende frühstück ab, nachdem ich gesehen habe, was man alles hätte kaufen können. die 2 schmalen mittdreißiger vor mir kurz vor der empfängnis des einzelkinds packen alles, was ihnen gefällt, ohne auf den preis zu achten, zur kasse + müssen 2x zahlen, weil sie den kaffee vergessen haben. + das noch + das noch + das. wo isst sie das twix hin?
den apfelsaft in meinem paket trinke ich nur, weil man nichts vergeuden soll + denke über menschen nach, die häuser besitzen besetzen, in denen andere für teures geld wohnen. wieso?
wenns nicht so teuer wäre, bliebe ich hier.
aber sagen kann man viel.
der zug kommt bald nicht mehr voran. wir bleiben einfach überall noch 1/2 std. stehen, dann geht sich das aus mit der zeit – nicht, dass wir zu früh ankommen. inte för tidigt!
+ falls mir die strecke nicht gefällt, gehe ich halt woanders lang oder fahre mit dem zug oder mit dem bus. (+ ich sage es + denke es wirklich, weil ich ja schon mal 1 plan geändert habe. als ob ich von dem moment, wo ich in trondheim aussteige, noch 1 reelle chance habe, nicht in sundsvall anzukommen.)
als ich vor der grenze in storlien aussteige, ist mein rucksack plötzlich klein + leicht. hab ich wo was liegenlassen? im abteil neben mir liegt 1 jacke. 1 jacke! jemand hat die jacke vergessen! die wind+wetterjacke! meine güte.
ich finde die haltestelle für den ersatzbus. als mich jemand anspricht + fragt, ob man das ticket im bus kaufen kann, sage ich, keine ahnung, weil ich meins übers internet gekauft habe, + zeige auf den jungen mann im hintergrund bei den parkplätzen: frage ihn doch mal. er aber kommt aus hannover + will, dass ich ihm auch eins kaufe übers internet. „no, it’s a private account. ask the other person om du kan köpa den i bussen, jag tror, men jag vet inte.“
der junge mann, auf den ich gezeigt habe, kommt später auf mich zu + fragt, ob hier der bus abfährt. „undskuld“ ich weiß nicht – da fällt mir auf: das ist dänisch. komme mir trotzdem sehr findig + ausgefuchst vor. alle kommen zu mir + fragen mich, als ob ich mich auskennen würde. als 1 bus 45 min vor abfahrt kommt, rätseln wir gemeinsam, ob er das ist + stellen beide fest, dass er da oben wohl wenden wird. ich weiß nicht, welche sprache er spricht, aber es könnte norwegisch sein.
weil ich 1 richtige großstädter*in bin: 1 so als ob.
im bus werde ich per newsletter darüber informiert, dass die jagdsaison beginnt + ich das passende outfit erstehen soll. ja bist du deppert? jagdsaison? ich willDoch wandern im wald!
die beiden frauen in der 1. reihe (dann 1. + 2., weil mehr platz ist, wenn man nicht nebeneinander sitzt), knacken karotten während der fahrt. die außentemperatur steigt von 18 auf 19 grad. tickets werden nicht kontrolliert. oder bin ich vergessen worden? die busfahrerin, obwohl auch nur ersatz für den zug weiß, wo sie hin fährt, nicht so wie in brandenburg, wo fahrgäste dem busfahrer sagen müssen, wo es lang geht, weil er sich vertut = verfährt.
am grenzübergang fahren wir mit dem bus einfach drüber.
sie haben die straßen in die schlucht geschlagen
auf dem fjäll liegt noch kein schnee. wenn wir bis ende august drüber sind, können wir glück haben. die letzten wetterprognosen haben ständig regen vorausgesagt, wir schauen lieber nicht mehr rein. so werden wir vom sonnenbrand auf der nase überrascht werden.
ende august noch alles grün. kleine reizende reißende bächlein überall. fischvolle flüsse. highway im wald. ganz schön krumm die straßen für so hoch oben im bus, unten das gepäck. es schaukelt ganz schön.
doch schon schnee auf dem fjäll + 17 grad um 9:56 uhr. welcher tag ist heute? 21.8. morgen des vaters geburtstag, in 4 tagen sein todestag. irgendwas ist immer.
erkenne nach 5 minuten schon muster + weiß d. nordländer**in an sich einzuschätzen: jeeps + jaguarhändler.
wie dämmen die nur die dünnen roten holzBretterhütten hier?
die erinnerung an den chaffeur in der reha, der von seinem schwedenurlaub erzählt hat: „wir waren da zum ‚angeln'“.
erst kommt nix. ingenting. dann 1 gehöft. 1 werkstatt. dann wieder nix. ingenting.
1 mann mit 1 angel.
wenn ich nicht 7 wochen in mecklenburg aufm land gewesen wäre vorher, wäre ich vermutlich an reverse-großstadtkoller erkrankt. so aber bin ich gerichtet für die tomthet. + kriege den koller dann erst wieder, wenn ich zurück in berlin bin. + koller kann ich nicht sagen, weil.
sehen kommt von seen.
alle haben
- gepäckträger auf dem autodach
- silos + camping
ich habe alles abgeschüttelt
der rauch am horizont wird dichter, aber niemand scheint bekümmert. es stellt sich raus, es ist dimma/dugg – 1 schild weist drauf hin. trondheimfjord. darum ists hier so teuer! unbezahlbar. noch jeder freie meter am fjord entlang ist bald verbaut. baustellenstaub dringt durch nebel.
im tunnel dringt die kälte durch die scheiben + man ahnt, wie es sich anfühlt, hier zu leben. das tal wird in 2 hälften geteilt: sonne vs. nebel. am fjord wohnen in 1 der küstenhäuser mit blick nach süden auf die stadt. wieso? nur wegen der sonne? bor eller lever du här?
ich schieße so viele fotos, als wäre ich auf heimreise, nicht vor ankunft.
kurz probieren: nein. ich muss nicht weinen.
nur 1x habe ich angst um 1 fahrradfahrer*in, d. wir überholen. es ist nur 1 weg da, den müssen alle nehmen. sone 30.
15 grad, 11:07 uhr. mädels in shorts + shirts.
erinnerung an die tonnen toter fische in der o!der. den jungen in der reha am esstisch hinter mir: geld geld geld. das kostet, so teuer ist das nicht für 2, kannst nix sagen, kannst du dir nicht leisten. der andere tischnachbar: essen essen essen. da musst du aufpassen, bewegen, sonst setzt das an, die kalorienbomben. + mein thema? leben leben leben. sinn sinn sinn. stress druck kRampf. schwierig schwer schlimm schlecht am.
trondheim bis zum bahnhof:
- sirkus shopping
- clas ohlson
- fahrradständer in der form von fahrrädern: das vollendete skandinavische design
- cirkle tankstelle
- nøkkelservice
- sportliche jungen
- rennradfahrübende
- leere läden
- oder geschlossen. weil sonntag.
wir sind angekommen da.
und nur kurz der gedanke nach über 37 stunden: ich bin so weit weg. wie komm ich zurück?
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