leipzig, partheweg
fahren Sie mal nach leipzig.
vielleicht haben Sie was vorzubreiten, 1 lesung z.b.
vielleicht wollen Sie auch einfach so nochmal in die stadt. Sie waren schon lange nicht mehr da seit dem hörspielsommer. aber so kurz nach der wahl ist das 1 komisches gefühl. dagegen sieht es in brandenburg ja richtig gut aus – wobei jede*r 5. statt jede*r 3. mit der wahl der nazipartei auch hier 1 deutliches statement gesetzt hat, das sich die nächsten jahre in die köpfe einzufressen droht – oder vielmehr: es ja schon getan hat.
vielleicht lernen wir deshalb schwedisch: um zur not auswandern zu können. wobei wir mit unserer chronischen krankheit, die tägliche medikamentenversorgung benötigt, wohl auch im dunklen sich lichtenden ikeawald nicht weit kommen wird (natürlich haben sich auch hier die rechtspopulist*innen bei der letzten wahl auf den 3. platz geschoben – es wird eng für uns in europa).
das ist ja eigentlich gar nicht Ihr thema. Sie wollen doch natur erleben, während Sie das klima ausblenden.
let go.
zum glück hat der zug 1/2 stunde verspätung, Sie kriegen es zwar nicht rechtzeitig mit, so dass Sie später losgehen oder gar länger ausschlafen könnten, aber zumindest geht gerade die sonne auf, während Sie in den besonders schön herausgeputzten bahnhof einfahren.
leipzig begrüßt Sie mit 1 regenbogen am firmAMENt. wie immer, wenn Sie sich unwohl unsicher unb/geliebt unwirklich fühlen, suchen Sie nach den zeichen, den zahlen, den auspizien („die von O[sten], also linkskommenden Zeichen gelten als günstig“). auch schön: die gepäckverwahrungsstelle funktioniert nicht mehr mit münzen sondern neuerdings über touchpad + Sie brauchen nur doppelt so lange wie sonst, um das neue system zu verstehen.
die sonne geht auf, es wird 1 schöner tag – ungewöhnlich warm für anfang oktober, ist schon altweibersommer? oder holt die vergangene jahreszeit noch was vom aufregensommer nach? Sie sind viel zu dick angezogen mit fließhemd + jacke + jacke + müssen 1 stück nachm anderen ausziehen. für viele menschen sind Sie bereits kein subjekt mehr, sondern 1 verziertes objekt, das es abzukucken gilt. Sie inszenieren sich doch auch mit Ihrem körper, je mehr Sie Sie selbst werden. seis drum.
„alles [(fast) noch] im grünen bereich“
nachm marathon am sonntag ist nicht ganz klar, ob Sie den gesamtwanderweg, den Sie um die strecken von+zum bahnhof auf 30 km verlängert haben, ganz schaffen. zur not könnten Sie in taucha unterbrechen. die hüfte zickt ein wenig, aber Sie stellen Sie ruhig. wann sollten Sie die andere hälfte gehen? nach der lesung am nächsten freitag? da ist doch wieder 1 ganzer tag zur verfügung, den kann man doch nicht mit 1 halben parzenweg partheweg beschneiden! oder? quanität oder qualität? geht auch beides? (nein.)
parthe, nicht parze
schön, dass Sie den offiziellen termin wieder mit etwas verbinden, wo Sie ganz bei sich sein + wenn Sie da gerade nicht sind, hinfinden können. wenn Sies schaffen. (jede*r dritte.) frühstücken Sie erst einmal ausgiebig bei der 1. schönen gelegenheit am naturbad ost, da haben sich schon ein paar radfahrer*innen zur frühen jause eingefunden, aber es gibt genug plätze. denken Sie ruhig, Sie könnten das so auf der qualitativen ebene halten. zumindest fangen Sie mal gut an.
der partheweg liegt jetzt nicht direkt außerhalb von leipzig bzw. führt durch die vielen kleinen orte rund um die stadt durch, weshalb Sie den autos heute nie ganz auskommen werden – wenn das 1 ziel jedes ausflugs ist: den motoren entfliehen.
- am großen gutshof tragen alle hochleistungsperde fliegenschutz, den Sie gebrauchen könnten, da Sie weder sonnen- noch mückenschutz dabei haben
- an der ritterburg wird noch gebaut + Sie machen nur aus versehen 1 foto, bei dem Sie beobachtet werden, dann gehen Sie schnell
- an der hölle führt 1 weg vorbei (kurz danach begegnen Sie Ihrem wächter, den Sie nicht grüßen + der Sie mit strengem „guten tag“ auf Ihre zugewanderte pflicht hinweist)
- in die landschaft hinein hat man wie neuerdings überall große an fernseher erinnernde landschaftsbilderrahmen aufgestellt, die zum „dialog“ mit der umgebung einladen sollen
- manche brücke wartet dagegen noch auf Ihre existentielle begründung
- auch etliche naturlehrpfade finden sich hier, von denen Sie die meisten wie immer zügig passieren – nur bei der baumschule machen Sie halt, wenn Sie bemerken, dass die enttäuschten jugendlichen sich hier ebenfalls über die afdwähler*innen
beschweren mockierenzu recht aufregen.
seit Sie erwachsen sind, ist alles klein geworden, die räume, in denen Sie aufgewachsen sind, das haus mit den 3 dachböden, das eis aus der gefriertruhe, das heute mit 1 kurzen zungenschlag weggeschleckt ist. nur der mais, der ist immer größer geworden + ragt Ihnen weit über den kopf. weite flächen sind schon abgemäht + die restlichen stangen stehen im angesicht des nahen endes zittrig im wind. Sie erinnern sich an das kornfeld in der uckermark + wieder wird alles zu 1 großen gang unter glühender sonne.
selbst die letzten kilometer an der sich durch naturnahes grün schlängelnden parthe stolpern Sie über die wiesenwege dem ende entgegen, um die bahn noch zu erreichen, die wider erwarten nur 1x stündlich nach leipzig zurückfährt. keinesfalls hier in beucha bleiben – obwohl aussichten auf den klangpfad (am wahlsonntag!?!) oder die wehrkirche fast zu 1 verlängerung ver_führt hätten.
hören Sie zahlreiche podcasts auf der strecke, um Ihren gedankenfluss zu unterbrechen. es eignen sich wie immer wissenschaftlichen sendungen wie z.b. über die fragwürdige notwendigkeit von tierversuchen oder über die schon länger bekannte schmerzmittelsucht (in den usa!).
in leipzig ist die hölle los + Sie checken im überfüllten billighotel ein, das Sie gleich im 4bettzimmer + morgen früh im überfüllten ungewischten frühstücksraum bereuen. vorher schlagen Sie sich noch mit 1 bagelmenue mit brownieabschluss den biegsamen bauch voll + entschuldigen sich an dieser stelle bei der frau, die Sie auf die aufforderung, an den thresen zu treten, 1 angestellte wäre für die aufnahme der bestellung noch frei, angepfuscht haben, Sie hätten noch nicht ausgewählt. wie auch? Sie sind ja 30 km in der hitze gelaufen mit zu warmen sachen + haben sich nun aufgrund zu wenig passender wäsche über Ihre lange unterhose (!) Ihren fleecepullover als rockgezogen, der dank des v-ausschnitts zwar knapp, aber immerhin über die vermaledeite hüfte passt (danke lifehackyoutube!). es tut Ihnen leid, Sie wollen nicht jede*r dritte sein, auch nicht nach 30 km sonnenbrezelung.
Sie hätten nicht aufhören können, so lange es so gut (?) lief, weil Sie 1 ganzes brauchen, um 1 unsicherheit zu kompensieren, weil Sie die texte schon vorgearbeitet haben, weil Sie nicht stundenlang im hotelzimmer sitzen + an den nächsten tag denken können, weil Sie für die langstrecke gemacht sind.
ruhen Sie sich aus, es wird 1 schöner, anstrengender tag.
kommen Sie wieder.