oder_radweg: frankfurt (oder) – küstrin-kietz/kostrzyn
Sie träumen vom wandern im unwegsamen gelände, große bagger+laster haben tiefe furchen gegraben, Sie stolpern durch die schwere schwarze erde, die sich an Ihre füße klammert, Sie kommen kaum vorwärts + wechseln ständig die richtung, da kommt die flut. die schlammlawine reißt autos mit + Sie versuchen sich zu retten, indem Sie zur seite springen, da fallen Sie auf den rücken, 1 rote karosserie macht 1 satz zurück + kommt auf Ihnen zu liegen. Sie werfen sie von sich ab. da ertönt die levan polka.
es dauert ein bisschen, bis Sie erkennen, dass es Ihr weckton ist, schlag 3:17 uhr. warten Sie noch ein paar minuten, bis das unwetter abgezogen ist, dann stehen Sie auf, machen sich dank matcha zügig fertig, gehen so knapp los, dass Sie am ende zur u-bahn rennen müssen, wo Sie so früh ankommen, dass Sie warten müssen: your life in a nutshell.
frankfurt (oder) – küstrin-kietz/kostrzyn – 34,6 km, 5:30 std. zzgl. pausen
es gibt keine störungen auf der bahnstrecke. nur die uhr meint, Sie sollten heute lieber noch ausruhen. Sie haben das trainingsprogramm aktiviert + seitdem macht es Ihnen vorschläge (was meint sie wohl mit dem “zukünftigen härteren training”?), Sie sind selber schuld, Sie haben sie gefragt. aber natürlich spüren Sies auch, Sie sind noch müde, möchten aber das lange wochenende auskosten nutzen.
“I am a rainbow too” – vor+rat_schläge
in frankfurt werden Sie von der sonne empfangen, die sich (entgegen der ankündigung) kaum hinter wolken verbergen wird diesen tag, dabei könnten Sie schatten gebrauchen, auch wenn Sie keine wanderung im wald wollten, sondern 1 marathonvorbereitungslauf, da ist der radweg an der o:der genau das richtige.
über alle dächer hinweg ragt die europa uni, leider können Sie kein bild machen, weil Sie kurz darauf durch die sinkende fallhöhe des wegs in kleinen gassen von häusern eingekeilt sind + die aufschrift verschwindet. macht nichts. Ihnen gefällt die atmosphäre, die Sie wegen der frühen uhrzeit vielleicht täuschen mag. Sie nehmen sich trotzdem vor zu schauen, wie hier lebens_unterhaltung geht.
“the sun is shinin'” – die künftige kanzler*in
menschen gehen vor 6 uhr mit ihren hunden am kai spazieren. der erinnert Sie übrigens an etwas, vielleicht an hamburg oder köln oder dublin. überhaupt wird die o:der heute übermalt von der elbe, wo Sie neulich waren, die schweinepestzäune kennen Sie schon von der schlaube oder im norden von den schafdeichgittern. alles wird im gehirn zu 1 großen gang – Ihrem mäandernden getriebenen lebensweg. was machen Sie nur mit all den 1drücken? werden Sie davon einst zehren, wenn Sie täglich im ohrensessel hocken?
kleist war auch schon da – aber frieden ist doch keine besieger*in?!
die schwester ruft sie spontan über videotelefonie an, die mama würde gerne plaudern. “wo bist du? an der o:der? im outdoorbereich?” ja dann später.
es soll keine*r glauben, Sie kämen heute jemals wieder an hartmut rosa vorbei, wenn Sie was erzählen: heute: die erlebnishäufigkeitserhöhung. der sommer erscheint Ihnen dieses jahr so lang, weil Sie so viel unterwegs sind, + ja, das waren Sie auch vorher, aber auf bekannten strecken, im kreise, berlin bereich c. jetzt kostet die strecke 20 € + Sie wären nicht Sie, wenn Sie sich nicht fragten, ob sich das rentiert. resonanzOrIentierung. es lohnt sich immer, was Sie tun, solange Sie lebendig bleiben.
+ an erlangen, wo die mutter lag, erinnert Sies auch, als die sonne damals hinterm europakanal aufging
kurz nach der stadtgrenze endet der radweg + der 1. zaun kommt. Sie befürchten, das schild könnte fußgänger*innen ausschließen, aber mit etwas good will könntes erlaubt sein, Sie haben keine ressourcen für umwege + möchten durch das naturschutzgebiet. (welteroberung).
die fixierung aufs laufen führt zur fixierung auf die pace, Sie können sich nicht erinnern: wars immer so? zählen der km pro stunde, verbleibender minuten, ausrechnen von streckeneinheiten. herunterzählen der letzten km, das ja. wenn der kopf so leer ist, dass er sich an der zahlenreihenfolge festhält. das stadium hatten Sie lange nicht mehr. Sie erreichens auch heute nicht. no default mode, just faulT mode.
oh way – I feel you – old oder
1 weg erweist sich als sackgasse zwischen alter+neuer o:der, gut, dass Sie auf die karte sehen + Ihrem geplanten weg folgen anstatt Ihrer laune, weil der weg so schön ist. beim 1. strand möchten Sie schon ins wasser springen, aber jetzt schon? Sie haben sich ja gerade erst eingesprüht + eingesalbt – dank der freundin haben Sie jetzt an den körperstellen, die Sie mit kokosnussöl beschmieren, keine zecken mehr!
dafür treffen Sie auf einige menschen heute, alle sehr freundlich wie der 1 mann mit hund, der Sie auf 1 schmalen stück am ende des fußgänger*innenwegs vorbeilässt. nachm streifzug durchs gras kommt lebus, 1 der langgestreckten brandenburgdörfer, die vor kurzer zeit mittel für “unser dorf soll schöner werden” bekommen haben muss. alles ist schön gepflastert, nur 1 offene stelle mitten im weg, die von lastwägen + arbeiter*innen umringt ist. eine*r schreit “morgen!” + auch Sie grüßen schön “moin”. erst später denken Sie an robert walser.
7:23 uhr draußen im grünen – 7:27 uhr lebus
nachm dorf geht es wieder auf den radweg + ab jetzt ist deich. mal oben/mal unten, mal asphalt/mal naturbelassen, je nachdem, ob Sie gerade gehen oder laufen. die orthopädin hat Ihnen keine spritze mehr gegeben, sondern will 1 rheumauntersuchung. spRitze! jetzt spüren Sie wieder den nerv beim gelenk. Sie sind etwas kritisch, ob Sie noch 1 schmerzmittel nehmen können, aber davon wirds kaum besser.
ich wär so gern 1 rad
Sie schaffen 21 km in fast 3 stunden – nicht so schlecht, schließlich mussten Sie durchs gras waten, haben viele fotos gemacht, wechselten häufig die musik + gingen auch ohne grund mal schritt. es liegen aber noch 14 km vor Ihnen (seien Sie nicht zu sehr überrascht, dass es 1 der wenigen male sein wird, wo die tour nicht länger, sondern kürzer ist als geplant, aber viel verlaufen können Sie sich hier ja nich).
Sie probieren halb gehen/halb laufen. im unwegsamen gelände hätten Sie abwechslung, da muss man steigen+stapfen, hier ist die strecke zum rennen gemacht, wehe Sie rennen nicht. 1 kleine wassernahe stelle lädt zum verweilen ein, Sie tropfen sich etwas teich übern kopf + setzen sich auf die bank, kriegen aber keine ruhe. obacht! der deichrasenmäher kann Ihnen nicht ausweichen.
bald brauchen Sie keine ausrede mehr. puls, sonne, hüfte. hören Sie einfach podcast zu forschung aktuell, z.b. über die wasserspeicherkapazität des waldes, schwenken Sie schwungvoll die arme wie beim nordic walking die stöcke, Sie können froh sein, dass Sie gehen können, auch wenn der nerv gelegentlich zuckt, es war schon schlimmer.
die letzten km probieren Sies nochmal mit der motivationsmusik (pass this on, go solo, dirty paws) aber dann haben Sie endgültig keine lust mehr, es ist auch warm. Sie haben gerade gesehen, dass der zug gleich kommt, der nächste in 1 stunde. probieren Sie noch sich vorzustellen, dass Sie 1 strand finden, baden, 1 kaffee aufsuchen, frühstücken. die katte–festung kennen Sie ja schon. aber wollen Sie nicht nochmal hin?
schicken Sie der freundin diese bilder
enttäuschenderweise ist die ausgesuchte wasserbucht von 1 lkw belegt, Sie wollen zu den gelben flecken auf der karte weiter, die wie strand aussehen, aber die strecke zeigt nach links + zack sind Sie aufm weg zum bahnhof. wären Sie doch zu beginn am strand … es ist irgendwie wie damals nachm abi, als die entscheidung zwischen den studiengängen interkultureller kommunikation in leipzig oder physik in würzburg mit der zimmerzusage des student*innenheims fiel. Sie entscheiden sich für waschen+umziehen im zug.
zu Ihrem unglück ist die toilette des zuges geschlossen wegen unbenutzbarkeit. Sie behelfen sich mit dem notdürfdigsten + schlüpfen ins kleid + aus shirt+short, wischen den in kokusnussöl panierten dreck von den beinen + kriegen lust auf gebratenes.
bahnhof küstrin-kietz – meanwhile ein paar stationen weiter …
die klimaanlage im zugteil, das Sie gewählt haben aufgrund der leere, ist kaputt, wie die schaffnerin sagt + auf das vollbesetzte kühlere teil verweist. Sie bleiben natürlich sitzen. es ist ja nur ne stunde. zum glücken kommen nicht mehr viele leute ins überhitzte abteil, darunter der 16-jährige junge hinter Ihnen, den der papa grad in den zug gesetzt hat, er fährt zum 1. mal allein bahn. die schaffnerin erklärt ihm wie bahnfahren geht. Sie lieben sie alle.
wenn Sie durstig sind, essen Sie Ihre pflaume + lutschen am kern. seien Sie nicht betrübt, Sie werden (wenn alles gut geht) schon um 13 uhr daheim ankommen, können da baden oder duschen + essen kaufen oder kochen wies Ihnen beliebt. küstrin aber wird dann über 2 std. hinter Ihnen liegen + vielleicht nicht (so schnell) wiederkommen. fragen Sie sich nicht, ob es sich gelohnt hat. wandern ist resonanz(möglichkeit) mit der welt, rennen mit dem körper. wenn der aber nicht funktioniert, sollten Sie überlegen, was Ihnen wichtiger ist. legen Sie dazu jetzt das handy beiseite.