route 50+ (fjärde gangen – mer eller mindre) rennsteig IV

etappe 4/5, von friedrichshöhe nach steinbach am wald

(c) kaschpar

11.08.2020, 36,3 km

Sie frühstücken zum ersten mal vor dem start der strecke. warum nicht, die längsten etappen liegen hinter Ihnen, ab jetzt geht es nur noch bergab (juhu!), Sie schlafen zwar nicht aus, obwohl Ihr teller erst um 8 uhr für Sie bereitsteht und Sie keine minute zu früh auftauchen wollen – bloß keinen eindruck hinterlassen – aber die zwanzig minuten gönnen Sie sich, schmieren sich noch was für unterwegs, zahlen schnell und verschwinden – die anderen gäste gähnen.

zum ersten mal also kein sonnenaufgang, die sonne steht schon hoch oben am himmel und heiß_strahlt. zum glück gehts gleich durch schattige wälder, Sie laufen ein paar schritte, Sie probieren es mal, ein paar hundert meter, es geht, es wird immer besser, Sie denken immer weniger an den schmerz, die gefahr des ein_knickens, in fact: Sie liefern sich ein paar rennen mit verstreuten wandererpärchen, die Sie locker gewinnen und während Ihres aufenthaltes im supermarkt dank lockendem kaufrausch wieder verlieren. als wären Sie wochenlang durch die wüste gewandert und plötzlich taucht lidl aldi rewe auf. den edeka finden Sie nicht.

den ganzen tag über werden Sie 1 mutter mit ihrer tochter überholen und wieder von ihnen überholt werden, Sie verstehen nicht, wie die so schnell sein können, wo sie doch rasten, Sie haben ja nur mal schnell eingekauft und bilder von den abgeholzten wäldern gemacht. gut, Sie waren auch kurz beim ausblickspunkt frankenblick, aber der lag ja auch nur 200 m ab vom weg. gut, Sie haben sich verlaufen und sind den weiteren radweg entlang statt der abkürzung durch den wald. gut, Sie haben am ende die strecke verloren und sind 1 jäger mit seinen bluthunden begegnet, aber ganz sicher sind Sie an ihm vorbei, der kann Ihnen gar nichts.

was haben Sie nur mit all den begegnungen auf Ihrem einsamen weg, dass Sie sie in beziehungen ummünzen und sich dauernd damit beschäftigen? anstatt bei sich zu bleiben, sind Sie immer vor oder hinter Ihnen, je nachdem, wo die anderen wandersleute sind, die Ihnen entgegen kommen, Ihnen folgen, Sie überholen. Sie knüpfen sich ein ins geflecht, das ohne Sie nicht wäre, dann füllen sie sich eingesponnen, zerreißen es und verheddern sich drin.

nach was suchen Sie denn? die großen wörter mit b haben Sie hinter sich gelassen. bedeutung bestätigung bedürfnis befriedrigung. der roman ist zuende und liegt ungedruckt auf der festplatte. was kommt jetzt? lyrik? zurück zu den wurzeln? keine geschichten mehr, nur noch gedanken, denen Sie nachhängen? jede_r ist auf der suche, was brauchen Sie? 1 neues projekt? 1 anderen job? 1 ehrenamt? noch mehr zeit? 1 weltrettung?

Sie überholen die frau mit Ihrer tochter 1 letztes mal an dem ort, wo sie ihr nachtlager aufschlagen, Sie grüßen sich wieder – wir sind schon alte bekannte – und ziehen weiter, Sie haben noch 10 km vor sich. natürlich. weil Sie immer weiter_gehen, wenn längst alles zuende sein könnte, damit Sie sich fragen können, wie lange es noch dauert. Sie machen strecke – strecken sich, fürs detail bleibt keine zeit.

https://www.kaschpar.de/2020/08/12/windrad-mein-ventilat-your-daily-servicetweet/

und plötzlich: kein schmerz, kein hunger, keine straße, keine leute lenken Sie ab, es geht durch wälder+wälder, kein grund zu klagen, bis Sie merken, dass Sie auf dem falschen weg sind – und doch nicht ganz. Sie verlängern die etappe, denn statt dem weißen rennsteig der hauptstraße entlang zu folgen, gehen Sie auf dem blauen rennsteig, der führt sie über umwege zum ziel. dann zieht 1 wetter herauf, das Ihre gesamte aufmerksamkeit beansprucht. Sie beschleunigen Ihre schritte, es geht nur noch ums ankommen. wieder 1x. 1 ewiger kreislauf.

was genau ist das schöne am wandern, wie Sie es tun? Sie wissen, es geht nicht anders, Sie brauchen die strecke, die überwindung, Sie brauchen die kraft, die ausdauer bis zur erschöpfung, Sie brauchen die ablenkung durch menschen weg wetter, Sie brauchen den körperschmerz,d dass Sie sich spüren, Sie brauchen das draußen, um ins innere zu kommen für den moment, diesen 1 moment, wo es läuft, wo Sie 1 sind, Sie bei sich, sonst nichts, und die welt ist da, wo Sie sind. wir haben sie nicht verdient, diese welt, keine_r von uns. nicht das totholz + nicht den wasserfall. nicht den lehm + nicht das laub. nicht den schatten + nicht die sonne.

https://www.kaschpar.de/2020/08/11/your-daily-what/

die letzten meter müssen Sie laufen, weil schon das gewitter hereinbricht wie die erlösung, Sie kehren ein. in Ihrer unterkunft kennt man Sie nicht. aber Sie kriegen 1 zimmer, 1 warmes essen, 1 schnaps zur verdauung, 1 warmes bett. nachts klirrt die glasfabrik durch die dunkelheit, und Sie freuen sich auf den letzten tag, die letzte etappe, das ankommen, das ende des wegs. und die erkenntnis, die abfallen wird, wie stets, 1 wissen mehr über sich, Ihr selbst, Ihre lage+situation, Ihr wollen+werden, Ihren sinn.

Sie müssen das ganz laut aufdrehen, sonst hören Sie nichts

fortsetzung folgt …

(c) kaschpar